Wir leben im Gemeindebau - Dinge, die du nur kennst, wenn du aus den Wiener Randbezirken kommst

Jan Pöltner Vom 17.10.2016
Wien, Wien, nur du allein – dass unsere wunderschöne Stadt von Kultur, Flair und allerlei spannenden Angeboten für Alt und Jung strotzt, wissen wir bereits seit langem. Aber auch die Ecken in den Randbezirken, die nicht mit eleganten Altbauten, verwinkelten Gassen und adretten Caféhäuser locken, haben ihren Charme. Dieser Artikel ist eine Ode – mit großem Augenzwinkern – an die Wiener Ghettos und deren Bewohner, die, genau wie wir, von ihrem Wohn-Bezirk geprägt wurden.

Wir ladies kommen zu zwei Dritteln aus Simmering – Nina und Alina sind mitten im 11. Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen und gemeinsam in die Schule gegangen. Auch Márcia wird nun bald ‚eingebürgert‘. Auch sie ist dem Ghetto-Charme (und den günstigen Mieten) erlegen und so zieht sie demnächst in unseren Heimatbezirk.

lasellahof_leopoldstadt

Fragt man uns nach unserer Herkunft, folgt auf die Antwort des Öfteren betretenes Schweigen – wir scherzen dann immer, dass ‚Elfzehn‘ der kleine Bruder des ‚Zehnten‘ ist. Als dessen Cousins könnten dann wohl auch OTK und Rudolfscrime genannt werden. Es gibt Dinge, die du in jeder dieser Gegenden findest und nur kennst, wenn du aus den Wiener Randbezirken kommst.

Shopping & Styling

In Sachen Style hatten die Bewohner hier schon immer einen ganz eigenen Kopf – in der Geburtsstätte der ‚Gabba‘ und ‚Krocha‘ spielt man auch heute noch style-technisch nach eigenen Regeln. Leggings sind immer noch hot – T-Shirts über den „Popsch“ not. Auch wenn die Neon-Farben von den Straßen verschwunden sind, gelten übermäßig gezupfte Augenbrauen (bei Frauen und Männern) immer noch als modisch und gefärbte Haare sind ab dem zarten Alter von zwölf Jahren ein Muss. Mit den nötigen Accessoires wird man in den großen Einkaufszentren, die auch als Treffpunkt für die Jugend dienen, eingedeckt.

Kulinarik

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Siehst du in deinem näheren Umkreis keinen Kebap-Stand oder Schnitzel-Wirt, dann hast du nicht genau genug hingesehen. Außerdem ist Kebap zu jeder Tages- und Nachtzeit eine vollwertige und nahrhafte Mahlzeit – perfekt für durchfeierte Nächte, aber nicht allzu vorteilhaft für die Bikini-Figur.

Was sind Touristen?

Der ‚Elfte’ ist ein traditioneller Arbeiterbezirk, der mit wenigen bis gar keinen Touristen- Attraktionen aufwarten kann. Hin und wieder verirren sich dennoch japanische Reisegruppen-Urlauber oder ältere deutsche Pärchen in den 6er und stechen mit ihrer freundlichen Miene und dem unerträglich fröhlichen Gequatsche aus dem tristen Gesichtermeer der wohl schlimmsten Bim Wiens heraus.

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Die Fahrt endet meistens beim Wiener Zentralfriedhof und führt nicht in den (wohl ebenso bekannten) Gemeindebau. Was sie dort erwarten würde, ist jedoch mindestens genau so unterhaltsam.

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Wir leben im Gemeindebau

Das wohl bunte, zusammengewürfelte und doch immer gleichbleibende Potpourri aus Menschen im Gemeindebau hat mich schon immer zum Staunen und Zittern gebracht.

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Erfahrungen, die, nach einer kleinen, privaten Umfrage, bisher jeder im Sammelsurium der Arbeiterklasse gemacht hat, sind:

– Menschen, die ihre Hunde mehr lieben als alles andere (und auch freundlicher mit ihnen reden, als sie es je mit dir tun würden)
– Akzente, diegenausogutvorarlbergerischseinkönnten, hörtmanüberall
– Diese eine ältere Person, die den ganzen Tag aus dem Fenster schaut und einem beim Vorbeigehen anklagend ansieht
– Nach der Schule trifft man sich im Innenhof, um allerlei Blödsinn auszuhecken
– Gibt es einen McDonalds in der Nähe, ist er bestimmt DER Hotspot der Gegend
– Sonst hol ich meine Cousins’ ist eine ernst zu nehmende Drohung

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– Du bist außerdem erst ein echtes Ghettokind, wenn du auch einmal einen übertrieben Akzent nachgeahmt hast, um ‚dazuzugehören‘.

Last but not least: Der öffentliche Nahverkehr.

Ob Bus, Bim oder Auto – in jedem fahrbaren Untersatz wird aus einer freundlichen Person ein kleiner Wiener Prolet. Radfahren wird in dieser Aufzählung bewusst nicht eingerechnet, denn den Drahtesel hat man meistens nicht lange genug, um ihn richtig auskosten zu können. Nach ein paar Nahtod-Erfahrungen in Fast-Kollisionen mit diversen geleasten BMWs steigt man schnell auf Bus oder Bim um, um zu merken, dass es auch hier nicht weniger heiß zugeht. Der echte Wiener geht halt auch im Verkehr nicht unter – und macht seinem Unmut über zu langsames Vorankommen in jedem Gefährt Luft.

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Das Leben im Gemeindebau hat zwar vielleicht weniger Flair, aber hält dafür umso mehr Action bereit. Es gibt sicher keine besser Schule fürs Leben – denn hat man hier einen Lebensabschnitt unbeschadet überstanden, dann kommt einem alles andere wie ein Kinderspiel vor. Oder um es in den Worten von Jay-Z zu sagen: „And since I made it here I can make it anywhere, yeah, they love me everywhere“. Thanks for everything, my hood!

Unsere Gastautorin Alina betreibt gemeinsam mit ihren Freundinnen Nina und Márcia den Blog theladies.at – darin berichten sie über ihre Reiseabenteuer, Wienthemen und welche neuesten Fashion- und Beautytipps es so gibt.

Fotos:

Titelfoto – Israel Sundseth / unsplash
Lasallehof – leopold_stadt / Instagram
Z
entralfriedhof Kirche – KristyS / Instagram
Herbst am Zentralfriedhof – chaulafanita / Instagram
Gemeindebau – wesjolui / Instagram 


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