Warum wir bei der Nationalratswahl 2017 alle wählen gehen sollten

Marie Amenitsch Vom 14.10.2017
6,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben heute die Möglichkeit, bei der Nationalratswahl 2017 wählen zu gehen und ihre Stimme für die politische Zukunft unseres Landes abzugeben. Doch im Hinblick auf die letzten Wochen in diesem beschissenen Wahlkampf werden wohl einige mit der Entscheidung, wählen zu gehen, ringen. Unsere Aufforderung an euch: Geht wählen, jetzt erst recht!

„Ich finde, es ist genug!“ Was im Mai Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zu seinem Abschied vor laufenden Kameras ins Mikrofon schmetterte, werden sich wohl viele in Bezug auf die bevorstehende Nationalratswahl denken.

Zumindest mir geht es so und nach unzähligen Wahldiskussionen, Interviews, Elefantenrunden und SpitzenkandidatInnen-Portraits in allen möglichen Aufmachungen bin ich vor allem eins: unendlich sauer auf diesen beschissenen Wahlkampf. „Dirty Campaigning“, „politische Schlammschlacht“, „neue Bewegung“, „Causa Silberstein“, „Schmutzkübelkampagne“ und Co. Begriffe wie diese sind es, die in den letzten Monaten und vor allem Wochen dominierten. Von Inhalten ist so gut wie keine Spur mehr zu finden. Vor allem die beiden Großparteien (ob es diese in der Form nach dem heutigen Tag noch so geben wird, sei dahingestellt) scheinen ihre Wahlprogramme weitgehend vergessen zu haben. Doch genau um diese Programme, Inhalte, sachliche Ideen, Vorschläge und Denkansätze sollte es eigentlich in einem Wahlkampf gehen. Denn genau das sind die sachlichen Fragestellungen, die unser Land auch nach dem 15. Oktober noch bewegen werden und sollen.

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Demnach bin ich sauer! Sauer darauf, wie mit uns Wählerinnen und Wählern umgegangen wird. Sauer darauf, wie sich die Spitzenpolitiker gegenseitig zu manipulieren und anzuschwärzen versuchen, um so selbst im bestmöglichen Licht dazustehen. Sauer auf diesen Populismus, der das Land nur noch weiter zu entzweien scheint, auf die leeren Ansagen, den fehlenden sachlichen Diskurs und diese unwürdige politische Kultur. Am liebsten würde ich aufstehen, lauthals schreien und die Frage anbringen, ob den lieben Spitzenpolitikern überhaupt klar ist, worum es eigentlich geht.

Ist es dann also nicht irgendwie naheliegend, dass sich diese Wut in eine gewisse Verdrossenheit umwandelt? So werden vielleicht viele von euch mit der Entscheidung, überhaupt wählen zu gehen, hadern, weil sie dieses „Kasperltheater“ so satt haben. Und zugegeben: auch mir ist es schwergefallen, die letzten Wahldiskussionen aktiv zu verfolgen, nicht einfach abzudrehen und Politik einfach Politik sein zu lassen, weil die Suche nach Inhalten so vergebens war. Nichtsdestotrotz werde ich wählen gehen, werde mein Kreuzerl setzen und eine Partei unterstützen. Doch warum eigentlich?

Wäre es nicht auch eine Möglichkeit, einen leeren Stimmzettel in die Wahlurne zu werfen und so seinen stillen Protest kundzutun? Irrtum! Wer weiß wählt und sich für keine der zur Wahl stehenden Parteien entscheidet, verzichtet genauso wie alle NichtwählerInnen auf das Mitspracherecht und führt somit unsere Demokratie eigentlich ad absurdum. Ein Boykott in Form von nicht wählen ist ebenso wie weiß wählen, der falsche Weg. Das nicht Ausfüllen des Stimmzettels kann nicht als Denkzettel an unsere Politiker verstanden werden.

Demokratie ist nach wie vor ein Privileg, dem wir uns viel stärker bewusst werden sollten. Denn auch noch heute wird in vielen Teilen der Welt um Demokratie gekämpft und sie ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Auch in Österreich gibt es das allgemeine Wahlrecht, das als Rückgrat und Voraussetzung der Demokratie gilt und die Möglichkeit zur Mitbestimmung darstellt, für Männer seit 1907, für Frauen sogar erst seit 1918.

Demnach ist das Recht zu wählen, die Möglichkeit zur Teilnahme, zur Mitgestaltung aber letztendlich auch eine Einverständniserklärung, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung dafür, wie unsere politische Landschaft in den nächsten fünf Jahren aussehen soll (vorausgesetzt, die regierenden Parteien halten es in der bevorstehenden Legislaturperiode so lange miteinander aus). Nur wer wählt, kann sich am Ende auch rechtfertigen, mit dem Ergebnis zufrieden oder nicht zufrieden zu sein. Kann zumindest behaupten, versucht zu haben, etwas dagegen bzw. dafür getan zu haben, nämlich seine Stimme geltend gemacht zu haben.

Und genau aus diesem Grund gehe ich wählen und rate auch euch, wählen zu gehen. Entscheidet euch für die Partei und den Kandidaten/die Kandidatin, mit dessen/deren Gedankengut ihr euch inhaltlich am meisten identifizieren könnt. Auch wenn dies bei dieser Wahl alles andere als eine leichte Entscheidung sein kann, wählt zumindest das für euch geringste Übel. Armin Wolf brachte es diesbezüglich mit einem Facebookposting zur vergangenen Bundespräsidentenwahl gut auf den Punkt: „Wenn Sie in der Politik auf die perfekten Kandidatin oder die perfekte Partei warten, werden Sie ziemlich selten wählen, wahrscheinlich sogar nie. Oder Sie müssen selber kandidieren.“

In diesem Sinne: Geht wählen und seid euch dem Privileg der Mitbestimmung bewusst. Übernehmt Verantwortung, bezieht Stellung und macht von eurer Stimme Gebrauch. Denn das Wahlergebnis ist nichts anderes als die Summe unserer einzelnen Stimmen.