Unser Senf: Warum Andreas Gabalier kein "Andersdenkender" ist

Viktoria Klimpfinger Vom 05.03.2019
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Anlässlich des Faschingsdienstags hat sich unsere Redakteurin über den wohl größten Aufreger des Faschings 2019 Gedanken gemacht: die Verleihung des Karl-Valentin-Ordens an Andreas Gabalier.
Gabalier Valentin Orden

Am Faschingsdienstag mündet das Narrentreiben in seinen Höhepunkt. Doch die allergrößte Posse dieser Saison ging bereits am 2. Februar 2019 über die Bühne. Da wurde nämlich Andreas Gabalier mit dem Karl-Valentin-Orden ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um einen Faschingsorden, den die Münchner Faschingsgilde Narrhalla seit 1973 einmal im Jahr für die ihrer Meinung nach „humorvollste bzw. hintergründigste Bemerkung im Sinne von Karl Valentin, für eine Rede oder Handlung, für ein Zitat, welches in der Öffentlichkeit publik wurde“ vergibt. Und wir und viele andere so:

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Aus gegebenem Anlass haben also auch wir uns mal einige Gedanken über den selbsternannten „Volks Rock’n’Roller“ und den skurrilen Trachtenhype um ihn gemacht. Nach immer wieder aufschäumenden Wellen der Kritik gegen ihn scheint das aufs Erste zwar müßig. Aber dass für viele offensichtlich ist, was sich da in Karo-Hemd und Lederhose anbahnt, ist noch lange kein Grund, es nicht beständig zu hinterfragen. Denn eins ist sicher: So leicht lässt sich der Hauch des Ewiggestrigen nicht in die Belanglosigkeit zurück ignorieren.

Was Karl Valentin wohl dazu gesagt hätte

Die Narrhallianer – oder Narrhaller? – begründeten die Verleihung damit, dass Karl Valentin sich als Volkssänger gesehen habe, ebenso wie Andreas Gabalier, der als „Volkssänger 2.0“ die volkstümliche Musik wieder in die Stadien zurückgebracht habe. Außerdem wurde sein Lied „A Meinung haben“ als „Loblied auf das Andersdenken, auf Menschen, die ihr politikverdrossenes Schweigen brechen und hinter ihrer Meinung stehen“, ausgezeichnet. So weit, so dubios. Denn genau diese beiden angeblichen Charakteristika wickelt sich der Hirschgeweih-Bejodler selbst gerne um den aufgestellten Hahnenkamm: Er habe das Volkstümliche wieder salonfähig gemacht und sei der erklärte Querkopf der Republik. Blöd nur, das beides schlichtweg nicht stimmt.

Elvis would be Crying in the Chapel

Denn offenbar bedeutet Volkstum für Gabalier weder reflektierte Brauchtumspflege noch die ernsthafte Auseinandersetzung mit Tradition, sondern die Verkörperung seines ganz persönlichen Bilds eines „typischen“ Österreichers. Das einzige an Gabaliers Gebaren, das man wohl als volkstümlich einstufen könnte, wäre die obligatorische Lederhose. Und auch hier hat er lediglich dazu beigetragen, dass Dirndl und Co. stärker mit Zeltfest-Atmosphäre und heimattümelndem, reaktionärem Gedankengut verbunden werden. Danke dafür! Seine Lieder selbst erinnern ebenfalls vielmehr an schwungvolle Bierzelt-Musi oder Tränendrüsen-Machismo als an traditionelle Volksmusik. Und auch zu einem Rock’n’Roller braucht es mehr als Schmalzlocke und Hüftschwung. Sorry Elvis, das Hirschgeweih piekst dich gewaltig in den Hintern. Ein herausragender Dienst ist das in unseren Augen jedenfalls weder an der Volksmusik noch am Rock’n’Roll.

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Gut, Geschmäcker und Watschen sind nun mal verschieden. Und ob man auf Umtata-Umtata-Musik und Après-Ski-Stimmung steht oder nicht, ist grundsätzlich Geschmacksache. Aber viel kontroverser und noch weniger mit Geschmack zu rechtfertigen als die Gabalier-Lieder sind manche seiner Aussagen. Das sieht der Verteidiger des Kleinkarierten allerdings selbst ganz anders und haut prompt bei seiner Dankesrede für den Karl-Valentin-Orden selbst die größte Wuchtel raus: „Wenn alle Leute so tolerant wären wie ich, ich glaube, dann hätten wir auf dieser Welt überhaupt keine Sorgen.“ Der war gut. Denn sowohl Gabaliers Songtexte als auch seine bewusst daher gepolterten Wortmeldungen zeugen von allem anderen als großer Toleranz und Nächstenliebe. In Kleine heile steile Welt singt er etwa: „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand.“

Dass Staat und Religion in Österreich zum Glück seit Langem voneinander getrennt sind, was wir nicht zuletzt der humanistischen Aufklärung zu verdanken haben, ist wohl an Gabalier vorbei galoppiert. Wahrscheinlich ist es ihm aber auch einfach ziemlich Blutwurst. Beim Amadeus-Award 2015 meinte er in seiner Rede etwa: „Man hat es nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht.“ Oje. Ein weiterer verängstigter heterosexueller weißer Mann, dem die modernen Zeiten offenbar nahezu jeden Identitätsbezug rauben, nur weil sie sich anderen Lebenskonzepten zaghaft öffnen. Aber kein Grund, gleich die allgemeine Krise der Männlichkeit auszurufen. Wir befinden uns nach wie vor in einem stark heteronormativen Gesellschaftsmodell, in dem gleichgeschlechtliche Paare und Menschen anderer geschlechtlicher Identität immer noch mit großer Intoleranz und vielen Hürden zu kämpfen haben.

„Das wird man doch noch sagen dürfen.“

Egal ob Geschlechterstereotype oder Diffamierung der kritischen Presse wie bei seinem letzten Konzert, die politische Ausrichtung Gabaliers kam in den vergangenen Jahren mehr als deutlich zum Vorschein. Und die ist alles andere als so subversiv, wie der Schlagersänger gerne tut. „Ich bin wohl einigen zu bodenständig, aber das werde ich ganz sicher nicht für diese Leute ändern“, sagte er gegenüber der Bild-Zeitung. Da hat Gabalier wohl etwas falsch verstanden: Das, was Kritik hervorruft, ist nicht seine selbst proklamierte Bodenständigkeit. Es sei denn, er versteht Bodenständigkeit als Synonym für reaktionäres Gehabe.

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Das wäre übrigens erneut eine bewusste Umdeutung, die neutrale Wörter politisch auflädt: Bodenständigkeit, Tradition, Brauchtum, Hirschgeweih – und schon ahnen wir leicht unrund, was es geschlagen hat. Genau darin liegt letztlich auch das Missverständnis von polarisierenden Protagonisten wie Gabalier, der mittlerweile ausgerechnet von Vizekanzler Strache als „andersdenkender Künstler“ gefeiert wird. Sie sind eben nicht die andersdenkenden, elitenkritischen Volksnahen, als die sie sich so gerne inszenieren. Im Gegenteil: Sie zementieren lediglich rückwärts gewandte Klischees, ohne sie zu hinterfragen – und erreichen damit offenbar die Massen. Denn irgendwie muss es ja zu erklären sein, dass Gabalier ganze Stadien füllt. Entweder die Fans ignorieren die Aussagen ihres Lederhosen-Entertainers zugunsten von Geschunkel und Geproste. Oder sie stimmen dem transportierten Gedankengut ohnehin zu. Wie auch immer – die Underdog-These Gabaliers spießt sich jedenfalls mit seiner unverständlich riesigen Gefolgschaft aus scheinbar fast allen gesellschaftlichen Sparten. Das „Andersdenken“, auf das er sich so gerne bezieht, dient außerdem eher als Synonym für die „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Diskussionskultur, die jede verbale Entgleisung zu rechtfertigen scheint.

Andersdenken falsch verstanden

Dabei ist sie nicht einmal ein besonders gutes Argument: Sagen darf man nämlich entgegen der kleinkarierten Sprechverbot-Paranoia so gut wie alles. Das ist ja auch das Schöne an der Meinungsfreiheit. Doch geht es Gabalier-Kritikern auch nicht darum, sie selbst anzuzweifeln, sobald Gabalier wieder mal ein zweifelhafter Sager aus dem Mund fällt. Nein, es geht vielmehr darum, dass man zwar sagen darf, was man will. Aber dann bitte auch mit Kritik rechnen und umgehen können muss. Einfach mit etwas rauszuplatzen wie: „Aber dass man in unserer genderverseuchten Zeit bald auf Ideen kommt, wie man im Privatleben vielleicht noch rechtlich festlegen könnte, dass der Mann einmal die Woche den Geschirrspüler ausräumt und die Wäsche aufhängt, das geht irgendwann zu weit“, und die Kritik an solchen Sagern damit zu nivellieren, dass man sich zensiert fühle, weil man hinterfragt wird, ist schlicht und einfach zynisch. Um nicht zu sagen: kindisch.

Aber mit seinen Kritikerinnen und Kritikern gibt sich ein Gabalier ja schon lange nicht mehr ab. Über jene, die im Text seines Songs Sweet Little Rehlein das bewusste Weitertragen längst überholter Geschlechterstereotype orten, kann er sich nur wundern: Ihnen schenke er keine Aufmerksamkeit, „weil sie damit allen Ernstes Wildtiere mit Frauen vergleichen!“ An so einer Reaktion zeigt sich aber schon, wie kurz die Gabalier’sche Zynismus-Schleuder schießt – nämlich quasi nur ins eigene Knie. Denn würde die Behauptung, dass es in Sweet Little Rehlein tatsächlich um ein Reh geht und nicht um eine Metapher, nicht bedeuten, dass Gabalier mit Boom-Boom-Begleitung den Beischlaf mit einem Baby-Hirsch besingt? Wer weiß. Aber sagen wird man es doch wohl noch dürfen. Sapperlot.

Querschläger statt Andersdenkender

Ein Andersdenkender, das ist einer wie Karl Valentin. Einer, der bis ins Anarchistische hinein Kritik geübt hat, der sogar die Sprache bis in ihre Grundfeste aufdröselte und wie kein Zweiter mit ihr spielte. Scharfzüngig, bissig, effektiv. Dagegen fragt man sich bei Gabalier-Songs wie Hulapalu, ob der Sänger vielleicht in einer frühen Sprachstufe hängengeblieben ist. Aber hey, vielleicht handelt es sich dabei ja auch um ein zutiefst gesellschaftskritisches dadaistisches Gedicht, das uns zu hoch ist. Haha. Und in diesem Sinne: Lei lei!

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Übrigens: Auch der Fasching selbst stößt uns sauer auf. Für alle, die nach so viel Grant mal was Positives brauchen: Wir halten ein Plädoyer für mehr Alltagsromantik.

(c) Beitrags- und Facebook-Bild | Pixabay