Unser Senf: Warum ich den Eurovision Song Contest so feiere

Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal geht’s um den Eurovision Song Contest und warum er so viel mehr ist als bloß eine „Freak Show“.

Der Eurovision Song Contest steht in den Startlöchern und ist eigentlich schon voll im Gange. Für die einen befinden wir uns also gerade am Höhepunkt der fünften Jahreszeit Song Contest, für die anderen ist das Event einfach nur Platzverschwendung im Fenrsehprogramm. Ich gebe es offen und ehrlich zu, ich schließe mich der Fanbase an und oute mich als leidenschaftlicher Song-Contest-Jünger. Von der Veröffentlichung aller Songs, über die Wettquoten und ersten Proben bis hin zum Highlight-Voting im Finale des ESCs bin ich immer live dabei.
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Die reinste Freak-Show
Wir erinnern uns an vergangene Jahre der Song-Contest-Geschichte. Kostümierte Monster aus Finnland sangen sich 2006 zum Sieg, Österreich schickte 2003 Alf Poier ins Rennen und errang mit als Tiere verkleideten Background-Sängerinnen Platz sechs und Belgien sang sich im selben Jahr mit einer Fantasiesprache sogar auf den zweiten Platz. Ja, der ESC galt lange Zeit vielleicht sogar berechtigterweise als Freak-Show. Aber die Qualität hat sich seitdem enorm verbessert. Das Siegerlied Schwedens Euphoria aus 2012 wird auch bei uns bis heute im Radio gespielt. Ein weiteres Beispiel ist der Gewinner aus den Niederlanden 2019. Das Lied Arcade von Duncan Laurence wird in den Sozialen Medien bis heute enorm gehyped. Aber natürlich auch die Vorjahressieger aus Italien, Måneskin, die es von der ESC-Bühne auf das Coachella-Festival oder die Tonight Show von Jimmy Fallon geschafft haben. Ja, Schmäh-Beiträge gibt es immer noch (zum Glück), im Großen und Ganzen spielt die Musik aber doch eine immer tragendere Rolle.
“Die sind doch eh alle schwul, die das schauen”
Wie oft ich diese Behauptung schon gehört habe. Wie wenig ich sie noch hören kann. Jahrelang habe ich mich gar nicht getraut zu sagen, dass ich als Mann den Song Contest schaue und habe Ausreden erfunden. Nicht weil ich etwa der Meinung wäre, Schwulsein wäre etwas Negatives – das bin ich natürlich keinesfalls – sondern weil ich einfach nicht in eine Schublade gesteckt werden wollte. Deshalb möchte ich mich auf diese Diskussion eigentlich gar nicht wirklich einlassen. Nur so viel sei gesagt: Wenn du den Song Contest schaust, macht dich das nicht schwul. Oder lesbisch. Oder hat generell irgendeinen Einfluss auf deine sexuelle Orientierung. Wenn es dir gefällt, was dort auf der Bühne passiert, dann enjoy it. Good for you! Und vielleicht sind deshalb so viele aus der LGBTQIA+-Szene so große Fans, weil sie dort endlich Repräsentation finden. Bestes Beispiel: Conchita Wurst. Oder auch beim Auftritt vom irischen Beitrag 2018, bei dem zwei Männer miteinander tanzten. 2013 sang die finnische Sängerin “Marry me, I’ll love you endlessly” und küsste im letzten Takt des Liedes eine Frau. Wie oft sehen wir diese Realitäten sonst im Fernsehen? Die Antwort auf diese Frage ist wohl eher ernüchternd.
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Und dieses Jahr?
Auch dieses Jahr strotzt das Event nur so vor Diversität. Australien und Israel schicken mit Sheldon Riley und Michael Ben David offen schwule Männer ins Rennen, eine der „Island-Systurs“ ist außerdem als lesbisch geoutet. Moderiert wird das Event unter anderem vom französischen Sänger Mika, der sich seit Jahren nicht nur der LGBTQIA+-Szene zuschreibt, sondern sich auch stark für diese einsetzt. Rumänien und San Marino spielen außerdem ordentlich mit Geschlechterrollen und setzen mit ihren Startern auf androgyne Bühnenpräsenz. Achille Lauro beispielsweise, der Starter für San Marino, präsentiert sich im schwarzen Netz-Outfit und reitet damit auf einem pinken Rodeo-Bullen. Auch People of Color sind wieder vertreten, wenn auch nicht in so großer Zahl wie im vergangenen Jahr. Und doch – der Starter für Deutschland, Malik Harris, und jener für Belgien, Jérémie Makiese, liegen in den Wettquoten im soliden Mittelfeld. Auch die Sprachenvielfalt wird diverser – zum ersten Mal wird ein Lied auf Bretonisch gesungen, nämlich von den französischen Starter*innen.
“Wir gewinnen aber eh fix nicht”
Nein, sehr wahrscheinlich gewinnen wir den Song Contest 2022 nicht. Das ist aber auch vollkommen egal. Zum einen könnten wir es uns gar nicht leisten, jedes Jahr zu gewinnen, und davon abgesehen ist nicht alles immer nur Leistungsdruck. Österreich entsendet zum ESC 2022 erstmals seit Jahrzehnten ein Duo aus einer Frau und einem Mann, was im heurigen Bewerb eindeutig hervorsticht. Österreich nimmt sich in diesen Belangen immer wieder an die Nase und achtet auf Diversität. Sei es der schwarze Sänger Cesár Sampson 2018, der offen schwule Tom Neuwirth als Conchita Wurst als Frau mit Bart 2014, die Trackshittaz 2013 mit Lukas Plöchl, einem Sänger mit chinesischen Wurzeln, oder eben heuer DJ Lum!x und Pia Maria mit ihrem Song Halo. Ob die beiden dann am Ende ins Finale kommen und welchen Platz sie dort belegen, ist vollkommen egal. Sie gehören mit ihren 18 und 19 Jahren zu den jüngsten Starter*innen im Feld und zeigen, was die musikalische Zukunft Österreichs so drauf hat.
Du hast noch nicht genug Senf auf deinem Teller der Meinungsäußerung? Dann servieren wir dir gerne noch eine Portion Senf in Form von Liebe zu Trash TV und besprechen außerdem die große Korianderfrage.