Unser Senf: Wieso Après-Ski nervt

Pia Miller-Aichholz Vom 21.02.2020
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erklärt unsere Redakteurin, was ihr Problem mit Après-Ski ist.
Senf Après-Ski nervt

Ich liebe Skifahren, aber Après-Ski nervt mich hart. Um gleich ein Missverständnis aus dem Weg zu räumen: Damit meine ich nicht das gemütliche Absacken nach einem Skitag auf der Hütte. Nach einem langen Tag auf den Bretteln gibt’s für mich nichts Schöneres, als für ein Getränk oder eine Jause auf der Hütte einzukehren und den Tag ausklingen zu lassen. Mit etwas Glück scheint die Sonne, sodass die Erfrischung zum winterlichen sundowner wird. Nein, meine gerunzelte Stirn und verzogenen Mundwinkel beziehen sich vielmehr auf Après-Ski im Sinne von Hüttengaudi, mit Umtsa-Umtsa und Alkohol. Diese Art von Après-Ski ist mittlerweile auf vielen Hütten entlang der Pisten und in den Bars der größeren Skiorte allgegenwärtig.

Das Setting

In kaum einer anderen Sportart kann ich mit Fug und Recht behaupten, von Kopf bis Fuß durchgeschwitzt zu sein. So sicher wie der Helm auf dem Kopf schützt, schwitzt man darunter wie ein Einser. Anorak, Handschuhe und Skihose und darunter die Skiunterwäsche halten die erhöhte Körperhitze an der Haut. Die Socken sind sowieso nassgeschwitzt. Auf der einen oder anderen Eispiste steht einem schon einmal der Angstschweiß auf der Stirn. Man stelle sich diese aromatische Mischung mal 50 und mehr vor, in einem geschlossenen Raum, zusätzlich aufgeheizt von den 50 und mehr Körpern, die zu Hüttengaudi-Hits wie Joana auf und ab schwingen wie Wackel-Kopf-Hunde auf der Armatur, weil hüpfen mit Skischuhen nicht so geil ist.

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Die Lüge

Erstens täuscht der Name Après-Ski, denn der einzige „Sport“, mit dem es tatsächlich zu tun hat, ist der Trinksport: Stamperl für Stamperl, Bier für Bier in Rekordzeit hinter die Binde kippen. Auch das ist eine Mogelpackung, denn was soll sportlich daran sein, die Leber an den Rand ihrer Kapazität zu bringen? Ausdauertraining für die Leber, sagen hier manche vielleicht. Die Antwort eurer Leber: Wünschen kann man sich viel. Am Tag nach der fetten Party schleppen sich hunderte restfette Hobbysportler und Hobbysportlerinnen schlecht ausgeschlafen auf die Pisten. Wieder: Sportlich ist daran nichts, nur fahrlässig ist es – sowohl sich selbst, als auch anderen gegenüber. Genauso wenig wie Alkohol im Straßenverkehr verloren hat, hat er auf der Piste verloren. Leider sind Après-Ski-Hüttengaudi und Alkohol so sichere Kumpanen wie Pech und Schwefel. Die steigende Zahl der Besoffenen auf den Pisten hat dieses Jahr sogar einen Seilbahnchef zum Rücktritt bewegt. Ich behaupte außerdem, dass die meisten die Hüttengaudi-Musik nüchtern schlecht bis schrecklich finden, betrunken aber superlustig. Erst der Alkohol macht die angebliche Gaudi.

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Die Musik

Zum Glück gibt es mehr und mehr Hütten, die Jazz- oder Lounge-Musik in annehmbarer Lautstärke spielen. Von der kann man zumindest sagen, dass sie nicht aufdringlich oder störend ist, selbst wenn man sonst kein Fan ist. Dann gibt es noch die Charts und eben Hüttengaudi-Hits. Das geringere Übel sind Chart-Starter. Das sind die Immergleichen, die einem Dank der Endlos-Rotation auf den paar österreichischen Radio-Sendern schon zu den Ohren raushängen. Aber mit etwas Glück laufen sie nicht zu laut und fügen sich so in den Hintergrund ein.

Bei Zwangsbeglückung mit Hüttengaudi-Hits ist’s bei mir aus. Die haben musikalisch genau null zu bieten. Man nehme einen billigen elektronischen Umtsa-Umtsa-Beat, füge dem ein paar Töne auf der Quetsch’n hinzu – für das Heimatgefühl und hey, zumindest ist ein echtes Instrument dabei –, und runde das Ganze mit einem möglichst simplen Text ab. Den kann jeder und jede schnell verstehen und mit dem Rest des Rudels grölen. Eines muss man den Entertainern und Entertainerinnen und ihren Produzenten und Produzentinnen lassen: Die einfachen Melodien werden sehr schnell zu Ohrwürmern, die man länger nicht los wird – leider.

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Die Message

Wäre die Hüttengaudi-Musik einfach nur platt, aufdringlich und nervig, wäre das eine Sache, genauer gesagt womöglich schlicht Geschmackssache. Häufig mischt sich aber noch eine andere Komponente darunter. Oft ist das bei Titeln der Fall, die sowohl für den Ballermann herhalten, als auch für die Après-Ski-Party. Das sind im besten Fall primitive, im schlimmsten Fall frauenverachtende Texte. Aus der Kategorie primitiv hätten wir da Titel wie Scheiß drauf(…Après-Ski ist einmal im Jahr) von Peter Wackel, in dem er davon singt, wie schlecht es ihm körperlich vom Alkohol schon geht, aber „scheiß drauf“, er geht trotzdem noch einmal „an den Start“. Außerdem Markus Beckers Bratwurst, Pommes und Bier, in dem er von der Bedienung Bratwurst, Pommes und Bier „und ein Küsschen nur von dir“ will. Becker legt damit die Rutsche zu Machismo-getränkten bis heftig chauvinistischen Texten.

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Ikke Hüftgold, unter anderem Produzent hinter Johnny Däpp, fällt mit seinem Titel Dicke Titten Kartoffelsalat in diese Kategorie der untersten Schublade. Der Song war übrigens laut Wikipedia sein Durchbruch, was auch immer das heißen mag. 60 Prozent des Titels bestehen aus „Olé olé olé“ und der Titelzeile. Ein absoluter Klassiker, den ich zu meiner Schande auf den Schul-Skikursen auch noch mitgesungen habe, ist Joana (Du geile Sau). Wer schon einmal eine Frau mit gesundem Selbstwertgefühl erobert hat, indem er ihr gesagt hat, sie sei zum Liebe-Geben geboren worden und außerdem eine geile Sau und ein Luder, meldet sich bitte bei mir.

Mickie Krause geht noch einen Schritt weiter und befiehlt einer Frau, sie solle Bier holen, sie würde „schon wieder hässlich, ein, zwei Bier und du bist wieder schön“. In Peter Wackels Schwarze Natascha fallen die Mädels, „diese dummen Dinger“, darauf rein, wenn ihnen besoffene Burschen singend versichern, dass ihre Herzen zumindest für eine Nacht ganz allein ihnen gehören. Die fröhliche Musik und der Partyhintergrund lassen einen schnell vergessen, dass solche Texte unter keinen Umständen witzig sind.

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Dass es manchen Leuten ernsthaft Spaß macht, nach dem Skifahren verschwitzt in Lokale zu gehen, in denen sie sich besaufen und mit den größten Hüttengaudi-/Ballermann-Hits beschallt werden, werde ich nie verstehen. Da muss ich ja nicht hin. Aber auf die Hütte will ich sehr wohl einkehren. Mein Appell an Skihüttenbetreiber und -betreiberinnen lautet: Bitte spielt etwas anderes oder wählt zumindest eine moderate Lautstärke. Oder, verrücktes Gedankenspiel, verzichtet ganz auf die Beschallung, zumindest auf der Terrasse. Dann kann man sich in Ruhe unterhalten und die schöne Umgebung auf sich wirken lassen. An alle Wintersportler und Wintersportlerinnen: Tut euch und allen anderen einen Gefallen und lasst die Brettln stehen, wenn ihr betrunken seid.

Auf unserem Blog könnt ihr außerdem lesen, wieso mein Kollege gerne aufs Skifahren verzichtet. Wir empfehlen euch außerdem, auch einmal bei Nacht die Pisten hinunter zu flitzen.

(c) Beitragsbild | Skitterphoto | Pixabay