Warum Skifahren das Schlimmste auf der Welt ist

Pia Miller-Aichholz Vom 07.02.2019
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Zuletzt entbrannte in der Redaktion eine hitzige Diskussion darüber, ob Skifahren vollkommen überbewertet oder zurecht zur Zusatzreligion Österreichs geworden ist. Teil 1.
Skifahren Beitragsbild

Es ist 6.50 Uhr morgens, draußen ist es noch finster und ich schlafe tief und fest. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter, sie berührt mich sanft: „Jan, aufwachen, ein traumhafter Skitag erwartet uns“, sagt die Stimme meines Vaters. Ich öffne die Augen, mein Vater schaut mich erwartungsvoll an und, tatsächlich, in seinem Gesicht spiegelt sich Vorfreude auf diesen Tag. In meinen Augen erkennt er in diesem Augenblick wohl nur die Müdigkeit und den Wunsch weiterzuschlafen. Leider bin ich in diesem Moment noch keine 26, sondern neun Jahre jung. Ansonsten hätte ich zu meinem Papa wohl gesagt: „Hab’ einen wunderschönen Tag auf der Piste, ich drehe mich nochmal um im Bett. Vielleicht komme ich später nach.“ So aber stehe ich auf, schleppe mich zum Frühstückstisch und ins Badezimmer.

Von wegen Winter, Skifahren ist grundsätzlich heiß

„Die ersten Schwünge direkt auf der frisch präparierten Piste ziehen, das ist das Schönste was es gibt“, wurde mir immer eingetrichtert. Aber ich habe es nie verstanden. Warum zur Hölle schleppt man sich um halb 8 Uhr morgens in Richtung Skigebiet, wenn das Ausschlafen so viel schöner ist! Vielleicht ist das der Grund, warum ich seit mittlerweile zwölf Jahren nicht mehr auf der Piste war. Ja, es ist unschwer zu erkennen, ich schreibe den Kontrateil dieser Diskussion darüber, ob Skifahren nun das Beste oder das Schlimmste auf der Welt ist! Nicht nur das Aufstehen ist schlimm, der ganze Tag, der mich erwartet, bereitet mir keine Freude. Los geht’s! Ich schleppe mich also zum Frühstückstisch und esse mein Schokomüsli. Anschließend: anziehen! Das Problem an der Sache: Mit mir sind noch drei weitere Kinder im ähnlichen Alter mit von der Partie. Patchworkfamilie eben. Gefühlt alle zehn Sekunden klemmt also irgendwo ein Reißverschluss, man zieht etwas verkehrt an oder es ist abartig heiß in dieser Funktionswäsche. Denn, von wegen Winter, Skifahren ist grundsätzlich heiß. In der Gondel mit 200 anderen – heiß. Auf der Skihütte drinnen sitzen – heiß. Im Auto am Weg hin – heiß. Was macht Mensch, wenn es heißt ist? Man zieht sich aus. Bei den gefühlt 79 Kleidungsstücken gar nicht so leicht, vor allem, da man sich ja kurze Zeit später wieder anziehen muss.

Vom Nationalsport zum Luxuserlebnis

Ich lasse meine Füße also in diese Kästen von Skischuhen hineingleiten. Bitte wer zur Hölle hat der Menschheit beigebracht, freiwillig so etwas anzuziehen? In voller Montur laufe ich nun wie auf rohen Eiern mit der ganzen Familie zum Auto. Selbstverständlich hat es über Nacht geschneit, also befreien wir alle erstmal für zehn Minuten das Gefährt vom Eis. Im Auto läuft die Scheibe an, denn schließlich ist uns allen in der Funktionswäsche extrem heiß, dazu läuft im Hintergrund Wolfgang Ambros’ „Schiiiifoan“ – mein Papa singt lauthals mit, wir Kinder wissen nicht so recht, wie uns geschieht. Zwanzig Minuten später trudeln wir im Skigebiet ein, selbstverständlich waren ganz viele Menschen ähnlich schlau wie wir und wollten ihre „ersten Schwünge in der frisch präparierten Piste ziehen“, die Parkplätze sind also schon jetzt Mangelware. Mit den Skiern, die nicht so recht zusammenhalten wollen, unterm Arm – also eigentlich in jeder Hand einer – wanke ich mit meinen Skiklötz.. äh -schuhen zur Talstation. Wenn wir jetzt kurz vom Jahr 2002 ins Jahr 2019 springen und die gleiche Patchworkfamilie wären, vier Kinder zwischen 9 und 13 Jahren und zwei Erwachsene, dann würde mein Vater jetzt 216 Euro für die Tageskarten bei Ski Amadé löhnen. Bei einem Dreitagespass für sechs Familienmitglieder wären es in Summe 633 Euro, also 15 (!) Euro Ersparnis zum regulären Tagesticket. Um den Preis hat keine Person einen Bissen gegessen oder einen Schluck getrunken. Von der Skiausrüstung und der Unterkunft rede ich da noch gar nicht. Hier liegt das eigentliche Problem – all meine zuvor genannten Punkte kann man vielleicht als persönliche Bequemlichkeit abtun –: Mit 216 Euro pro Tag für eine Patchworkfamilie unserer Größe ist Skifahren ein absoluter Luxussport geworden, den sich viele, viele Menschen nicht mehr leisten können.

Vergnügen ist Definitionssache

Das „Vergnügen“ in der weißen Pracht geht aber noch weiter. Nachdem wir circa 30 Minuten eingeklemmt zwischen hunderten Skifahrerinnen und Skifahrern (heiß) gewartet haben, stehen wir nun in der Bergbahn, die sich mühsam, träge und langsam nach oben bewegt. Wiederum eingeklemmt zwischen ebenfalls sehr vielen Skifahrerinnen und Skifahrern (heiß). Die Schleusen der Kabine öffnen sich in der Bergstation auf über 2.000 Metern, ein Schwall von Menschen bewegt sich mit mir hinaus. Eisiger Wind pfeift uns entgegen, eine Temperaturanzeige auf der Wand des Gipfelhauses zeigt minus elf Grad, ich sehne mich wieder nach der Hitze in der Bergbahn zurück. Oder einfach nach meinem wunderschönen, kuscheligen Bett! Aber: Es lebe der Sport! Ich schmeiße meine Ski vor mir in den Schnee und versuche, meine Klötze in die Bindung zu drücken. Der erste Versuch scheitert, zu viel Schnee am Schuh. Ich klopfe meine Skistöcke fest gegen meine Schuhe, mir ist eiskalt. Als ich zum zweiten Versuch ansetze, fährt ein anderes Kind direkt über meine Ski und schleift einen der beiden mehrere Meter mit. Der kleine Übeltäter fährt weiter, ohne sich auch nur umzudrehen. „Der ärgert sicher all seine Mitschüler“, denke ich, während ich durch den Schnee stapfe, um meinen Ski zurückzuholen. Dritter Versuch. Geschafft. Meine restliche Familie wartet schon auf mich. Vom oben zitierten „Fahren auf der frisch präparierten Piste“ kann übrigens keine Rede sein, gefühlt Tausende Menschen wälzen sich gleichzeitig die blaue Abfahrt hinunter. Für circa zehn Minuten. Danach fahren wir wieder zum Lift und der mühselige Prozess startet von vorn. Wir fahren also nur deshalb umständlich auf den Berg hinauf, damit wir erst recht wieder runterfahren können. Gnädiger Weise muss man die 216 Euro nicht auch noch erneut bezahlen.

Krönender Abschluss

Ein Ort, an dem man garantiert noch ein paar Euro locker macht, ist die Skihütte. Mit dem Tablett in der Hand und den Klötzen am Fuß wankt man durch die mittägliche Oase vieler Wintersportfans. Für mich gleicht es eher einem Hindernislauf. Diesmal ist es besonders bitter, denn der georderte Germknödel ist im Inneren – so wie ich selbst, zumindest gefühlt – noch leicht gefroren. Mit dem etwas überteuerten Skiwasser (wann wurde Himbeersirup mit Leitungswasser um fünf Euro zum In-Getränk upgegradet?) kann man das Mittagessen aber schon irgendwie runterspülen. Viel Zeit bleibt nicht, denn die Piste ruft wieder! Am Nachmittag wiederholt sich das Spiel aus 30 Prozent warten am Lift, 40 Prozent Liftfahren, 30 Prozent Skifahren. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Tal. Vorbei geht es an den diversen Après-Ski-Bars. Einige Erwachsene grölen laut „Joaaanaaaa, du geile Saaaaau!“ – damals habe ich zum Glück noch nicht so genau gewusst, was gemeint war. Ich schleppe meine Ski wieder ans andere Ende des Parkplatzes. Überraschung: Das Auto ist vereist und muss mit dem Eiskratzer befreit werden.

Unsere Redakteurin Pia erzählt in Teil 2, wieso Wolfgang Ambros vollkommen richtig lag damit, dass Schifoan afoch leiwand is‘.

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