Unser Senf: Wie Die Sims das Schlimmste in mir zum Vorschein gebracht haben

Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal lässt unsere Redakteurin ihre Erfahrungen mit dem Spiel Die Sims Revue passieren und ist nachhaltig schockiert über sich selbst.

Viktoria Klimpfinger Aktualisiert am 29.04.2020
Die Sims

Unrechtmäßig angeeignetes Vermögen, überbordender Luxus, wahllose Affären und perfide Mordfantasien, die sogar Quentin Tarantino das Fürchten lehren würden – Die Sims, mein persönliches Sodom und Gomorrha, Zeitdokument der Wildwüchse meiner Pubertät. Je öfter ich mit anderen über unsere Sims-Erfahrungen als Teenies spreche, desto klarer wird mir, was wir da für kranken Scheiß abgezogen haben.

Die Auswüchse des Kapitalismus

Eigentlich geht es in Die Sims ja bloß darum, mit Avataren das echte Leben nachzustellen oder eben diesem zu entkommen, indem man als Sims Simpson das tut, was man sich als Max oder Maximiliane Mustermann niemals trauen würde. Zweiteres nahm bald horrende Ausmaße an, als ich – wie viele andere auch – endlich hinter Cheatcodes wie „Rosebud“ oder „Motherlode“ kam und mir selbst Geld zuscheffelte wie eine professionelle Online-Betrügerin. Als hätte ich einen virtuellen Bankomaten geknackt. So begann ein Leben in Saus und Braus. Und wer viel hat, wird schnell gierig. Die Häuser wurden immer größer, das Mobiliar immer aufwendiger, bis ich irgendwann fast vergessen hatte, worum es bei Die Sims eigentlich geht: um die Sims eben und nicht darum, sich selbst als angehende Innenarchitektin zu profilieren. Eine meiner ersten Lektionen in punkto Kapitalismuskritik.

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Nimmersatte Libido

Aber nicht nur meine nimmersatte Gier kam in Die Sims zum Vorschein, nein, auch ein gewisser Hang zum Sozialporno zeichnete sich immer deutlicher ab. Statt meinen Sims ein schönes Leben zu bereiten, sie vielversprechende Karrieren vom Tellerwäscher bis zum Simoleonär einschlagen und die wahre Liebe finden zu lassen, ließ ich sie so ziemlich alles pimpern, was ihnen über den Weg lief. Jede sich langsam anbahnende Freundschaft wurde sofort zur potenziellen Affäre, mit Dutzenden Sims musste mein überforderter Avatar zugleich das Prickeln aufrecht erhalten, nur für den Fall, dass ich mich in der einen monogamen Beziehung, die ich eingegangen war, langweilen würde. Das kann man natürlich als Absage an die Monogamie generell verstehen. Oder man liest es als Übereifer eines hormongesteuerten Teenagers. Fair ging es gegenüber den anderen Avataren jedenfalls selten zu.

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Skurrile Todesarten

Richtiggehend morbid wird es aber, wenn ich Revue passieren lasse, auf wie viele skurrile Arten meine Sims damals mysteriöser Weise das Zeitliche gesegnet haben. Flammentod, Ertrinken mangels Ausstiegsleiter aus dem Swimming Pool, verhungern, weil eingemauert. Grausam! Zu meiner Verteidigung muss ich aber festhalten, dass das oft nicht einmal mit Absicht geschehen ist. Noch bevor ich die Cheatcodes entdeckt hatte, bastelte ich ohne böse Hintergedanken meine eigene Familie als Sims-Sippe nach. Ich baute ihnen ein kleines, hübsches Haus, legte einen netten Garten an, besorgte einen Fernseher. Nur eines hatte ich vergessen: die Toilette. Dafür reichte leider das Geld nicht mehr. Kurze Zeit später fand ich heraus, dass Sims offenbar an überbordendem Harndrang draufgehen können. Nur blöd, dass es ausgerechnet den Sim traf, der den Namen meiner Mutter trug. Noch viel blöder, dass meine reale Mutter mir just in diesem Moment über die Schultern schaute. Als sie ihren Namen eingemeißelt in einen virtuellen Grabstein neben einer Pisslacke stehen sah, war sie verständlicher Weise etwas alarmiert. Da war es für mich mit dem Sims-Spielen erst einmal vorbei.

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Kollektive Mordlust

Offenbar bin ich mit meinem leichten Hang zum präpubertären Online-Sadismus aber alles andere als allein. So gut wie alle, mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, erzählen von ähnlichen Erfahrungen, manchmal von viel grausameren, perfideren Todesarten, die mein Bild gewisser Personen nachhaltig getrübt haben. Bei manchen frage ich mich mittlerweile, welcher glücklichen Fügung wir es zu verdanken haben, dass sie ihr kriminelles Potenzial nicht auch offline in die Tat umgesetzt haben.

Eigentlich sollte uns die Tatsache, dass wir unsere Sims mit derselben kreativen Energie gequält haben, mit der andere Splatter-Drehbücher schreiben, aber nicht verwundern. Schon das Stanford-Prison-Experiment hat hinlänglich bewiesen, dass manche Menschen eben einfach nicht mit uneingeschränkter Macht und Autorität umgehen können. Wenigstens haben wir uns damals nur an fiktiven Pixelfiguren abreagiert. Und eines kann ich aber stellvertretend für alle kleinen Sims-Sadistinnen und -Sadisten nachschießen. Kürzlich habe ich wieder angefangen mit dem virtuellen Spiel des Lebens und habe beruhigt festgestellt: Das Bedürfnis, meine Sims im Pool zu ertränken oder mutwillig ihr Leben zu zerstören, überkommt mich als Erwachsene nicht mehr. Noch nicht?

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Da kommt euch einiges bekannt vor? Wir haben uns generell ein paar Dinge überlegt, die ihr ziemlich sicher kennt, wenn ihr schon mal Die Sims gespielt habt. Außerdem zeigen wir euch ein paar coole Apps für Retro-Spiele.

(c) Beitragsbild | Pieter Claerhout | Unsplash

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