Unser Senf: Wie WhatsApp mir manchmal den letzten Nerv raubt

Viktoria Klimpfinger Vom 31.03.2020

Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, auf welche unterschiedliche Arten WhatsApp ihr manchmal den letzten Nerv raubt.

Oh, WhatsApp, wie hast du unsere Chat-Korrespondenz doch maßgeblich erleichtert. Wo wir uns noch vor ein paar Jahren mit komplizierten Smiley-Kombinationen und dem mühseligen Versuch, eine MMS als Bildnachricht zu versenden, in der kommunikativen Vorhölle befanden, hast du uns mit Emojis und GIFs erlöst. Doch mit unbegrenztem Daten- und Nachrichtenvolumen hast du es leider auch geschafft, ein paar nervenstrapazierende Gimmicks einzuführen.

Sprachnachrichten

Dass Emojis und GIFs das, was wir sagen wollen, manchmal besser auf den Punkt bringen als das geschrieben Wort, ist ja in Ordnung. Ein halblustiges Bild sagt eben manchmal mehr als tausend Tippsler. Aber die Sprachnachrichten-Funktion leuchtet mir nach all der Zeit immer noch nicht wirklich ein. Was habt ihr euch dabei gedacht? „Oh hey, anscheinend sind die Leute oft zu faul zum Schreiben. Lassen wir sie doch einfach verbal miteinander kommunizieren. Geht viel schneller?“ Noch praktischer wäre das Ganze nur, wenn man darauf auch in Echtzeit antworten könnte. Moment. Das das gibt’s ja bereits. Es heißt: telefonieren.

Jedes Mal greift sich ein kleiner Teil in mir an den Kopf, wenn ich sehe, dass die neue Nachricht auf meinem Handy eine zweiminütige Sprachnachricht ist. Na toll. Um sie in den Öffis anzuhören, muss ich also erst mal mühsam nach meinen Kopfhörern kramen. Denn es gibt nichts Peinlicheres, als wenn man unabsichtlich den Play-Button streift und ein schrilles „Heeey, Guuuurl, na, bist du auch noch immer betrunken von gestern?“ oder ähnliche Neckereien meiner Freundinnen und Freunde mich vor meinen U-Bahn-Mitfahrenden diskreditieren. Ups. Habe ich mich dann endlich eingestöpselt, geht die Misere erst richtig los. Ein endloses Gequatsche über dies und das, das eigentlich nur zum Inhalt hat: „Wie geht’s dir? Wollen wir uns heute Abend im Stammbeisl treffen?“

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Bei all der Info, die bei den zeitlich unbegrenzten Sprachnachrichten auf mich einprasselt, gibt es nur zwei Optionen, um aufmerksam zu antworten: Ich muss sie mir entweder so oft anhören, bis ich sie fast auswendig kann. Oder ich krame auch noch Stift und Notizblock hervor, um mitzuschreiben. Beides nicht besonders zeitsparend. Natürlich ist es für den Sprachnachricht-Verfasser, die Sprachnachricht-Verfasserin erst mal einfacher, sich das jeweilige Anliegen von der Seele zu quatschen und dann erleichtert das Handy wegzulegen. Erledigt. Aber ich als absolute Voicemail-Verweigerin tue mir da trotzdem schwer. Denn jedes Mal, wenn ich aus Gleich-und-Gleich-Prinzip oder einfach aus Faulheit doch mit einer Aufnahme zurückantworte, komme ich mir währenddessen sagenhaft blöd vor. Besonders in der Öffentlichkeit. Da stehe ich nun, möglichst geräuscharm platziert, und murmle verstohlen meinen Monolog auf mein Handy ein, als wäre ich eine Chirurgin, die nach ihrer OP ein Memo aufzeichnet. Keine Unterbrechungen, keine Rückmeldungen, und schon bin auch ich auf minutenlanges Geschwafel ausgeartet. Weil ich mir auch vorher nicht notiert habe, was genau ich eigentlich sagen will. Operation gelungen, Patient tot.

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Gruppenchats

Im Gegensatz zu den Sprachnachrichten als kleiner, entwicklungsbenachteiligter Bruder des Telefonierens machen die Gruppenchats meiner Meinung nach deutlich mehr Sinn. Endlich nicht mehr dieses leidige Herumgeschreibe: „Hey, Andi fragt, ob wir heute zu ihm kommen wollen. Bist du auch dabei?“ Nein, dank der Gruppenchats haben wir endlich die Möglichkeit, die Kommunikationsstärke der gesamten Clique gleichzeitig zu nutzen.

Allerdings können die Kollektivnachrichten ziemlich schnell in nerviges Dauergebimmel ausarten, wenn man vergisst, sie rechtzeitig auf „stumm“ zu stellen. Ding! „Hey, ja klar, bin dabei.“ Ding! „Bei mir wird’s leider nichts, bin krank.“ Ding! „Oh nein, gute Besserung!“ Ding! „Ja, gute Besserung!“ Ding! „Oje, erhol‘ dich gut.“ Ding! Irgendwo fliegt ein Handy aus dem Fenster. Am heikelsten sind außerdem diejenigen Gruppenchats, die zu einem Großteil aus fremden Nummern bestehen. Eine Freundin kam letztens etwa auf die glorreiche Idee, mehrere Freundeskreise gleichzeitig zu ihrem Polterabend einzuladen. Aus skeptischer Zurückhaltung schrieb ich erst mal nur unverfänglich: „Ja, klar bin ich dabei, danke für die Einladung.“

Man weiß ja nicht, mit wem man es hier zu tun hat. Könnten ja auch Kolleginnen und Kollegen sein, den meine „Lieblingsbitch“, wie ich sie sonst so liebevoll nenne, lieber nur unter ihrem bürgerlichen Namen kennen sollten. Doch nur wenig später prasselten neonblinkende Beleidigungen für das GIF-Genre auf mein Display ein, Flachwitze mit Tiefenrauschgarantie und sogar die eine oder andere Netlog-mäßige nAcHrIcHt. Als ich schließlich die Kontakte in der Liste genauer gecheckt habe, um zu sehen, mit wem ich’s hier denn nun wirklich zu tun habe, war klar, dass bei xXxPartygirlxXx oder Chantal mit Einhorn-Blüte-Herzchen-Emojis Zurückhaltung eher fehl am Platz ist.

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Nachrichtenschleudern mit Chat-Tourette

Apropos Dauergebimmel: Nicht nur übermotivierte Gruppenchats bringen mich manchmal dazu, mein digitales Ich ernsthaft zu hinterfragen. Auch der eine oder andere Einzelkontakt in meinem Telefonbuch regt in mir immer mal wieder die Sehnsucht nach meinem alten Nokia 3310 ohne Internetzugang. Womit? Das ist hier nicht die richtige Frage. Eher: Mit wie viel? Für manche Menschen ist das unbegrenzte Nachrichtensenden offenbar die Büchse der Pandora zu ihrer unzügelbaren Nervosität. Vor lauter Aufregung ist es manchmal scheinbar nicht möglich, alles, was man sagen will, in bloß einer profanen Nachricht niederzuschreiben. Nein, das wird der Dringlichkeit des Anliegens ja nicht mal im Ansatz gerecht. Lieber

jeden

Satz

einzeln

schicken.

Chat-Tourette quasi. Alle paar Sekunden scheidet der Chat eine neue Kürzestnachricht aus. So hat man definitiv nach dem dritten Gebimmel oder auch nur Aufleuchten des Empfängerhandys die volle Aufmerksamkeit. Aber, und das kann ich versprechen, spätestens nach dem siebten Gebimmel auch eine etwas angesäuerte Empfängerin.

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Die blauen Hakerln

Und dann gibt’s da noch das Problem mit den vergessenen Nachrichten. Das stellt sich bei mir in der Regel nicht bei den Nachrichtenschleudern ein. Die haben ja dank Dauerbombardement irgendwann meine volle Aufmerksamkeit. Nein, es gibt ja auch das andere Extrem: die Romanschreiberlinge, bei denen sich eine WhatsApp-Nachricht anfühlt, als würde man die AGBs irgendeiner Website durchscrollen. Nur dass man in diesem Fall nicht trotz allem auf „akzeptieren“ klickt, sondern das Handy erst mal zur Seite legt, um später zu reagieren. Man will ja auch nicht unhöflich sein und auf eine 1000-Wörter-Message mit „Okay“ antworten.

Aus intensivem Nachdenken wird ein „Mach ich später“. Aus dem „Mach ich später“ ein peinlich berührtes „Oh, du hast mir ja geschrieben“ beim nächsten Treffen. Weil ich aber die blauen Hakerln, die anzeigen, dass der oder die andere die Nachricht gelesen hat, aus eigener Neugierde immer noch nicht deaktiviert habe, kann ich nicht einmal so tun, als hätte ich die Message noch nicht gelesen. Danke, WhatsApp. Voll reingeritten. Vielleicht schicke im beim nächsten Mal doch lieber gleich eine Sprachnachricht retour. Oder steige endlich auf Rauchzeichen um.

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Darf’s noch ein bisschen mehr Senf sein? Dann lest euch unsere Ode an die Jogginghose durch. Oder ihr seht euch an, warum Sexszenen im Fernsehen mit den Eltern sehen das Schlimmste ist.

(c) Beitragsbild | Pixabay