Lässige Österreicherinnen, die uns Tag für Tag inspirieren

Viktoria Klimpfinger Vom 08.03.2019

Schönen Internationalen Frauentag! Doch nicht nur an einem Tag im Jahr sollten Gleichberechtigung und der Kampf gegen Sexismus fest in den Köpfen verankert sein. Daher feiern wir heute ein paar der Frauen, die uns immer wieder aufs Neue inspirieren.

Frauentag

Am Internationalen Frauentag geht es darum, die Gleichberechtigung und den Kampf gegen Sexismus ins Zentrum zu rücken. Das ist natürlich gut und wichtig. Aber Aufstehen gegen geschlechtsbezogene Ungerechtigkeit und Gewalt – und nicht nur gegen die geschlechtsbezogene – sollten wir nicht nur einmal im Jahr, sondern jeden Tag aufs Neue. Und am besten Schulter an Schulter, untergehakt, gemeinsam. Deshalb möchten wir den Welttag der Frauen nutzen, um einigen grandiosen österreichischen Frauen zu huldigen, die uns Tag für Tag inspirieren.

Christine Nöstlinger

Leider mussten wir uns im vergangenen Jahr von einer großen Ikone verabschieden. Die Autorin Christine Nöstlinger ist im Alter von 81 Jahren verstorben. Doch ihr Andenken wird mit Sicherheit noch viele Generationen prägen und inspirieren. Denn ihre authentischen Geschichten nehmen die Kindheit ernst und packen sie auf Augenhöhe an. Ihr Opus umfasst über 100 Bücher, die längst nicht nur etwas für die jüngste Zielgruppe sind. Wenn der unsichere Franz zum Beispiel sein Referat am Vortag auf dem Kassettenrecorder aufnimmt, weil ihm vor lauter Nervosität immer die Stimme ganz piepsig wird, fühlen auch wir mit dem kleinen Nervenbündel mit. Und hoffen, dass es vielleicht doch nicht zum Unausweichlichen kommt und die Kassette mitten im Playback-Vortrag stecken bleibt.

Genauso unverstellt und gerade heraus wie ihre Geschichten und Protagonistinnen und Protagonisten gab sich auch Nöstlinger selbst. Ihre prägnanten und ehrlichen Sager trafen viele gesellschaftliche Entwicklungen da, wo’s wehtut: „Ich habe immer geglaubt, der Bodensatz der Gesellschaft sei knöchelhoch. Aber er ist eher wadelhoch“, sagte sie etwa 2015 bezüglich des zunehmenden Rechtsrucks in Österreich. Bis zum Schluss machte Nöstlinger sich für soziale Gerechtigkeit und gegen den immer stärkeren Rechtsdrall innerhalb der Gesellschaft stark. Auch in Sachen Feminismus positionierte sie sich: „Meine Ansichten sind sicher feministisch“, sagte sie etwa 2015 in einem Interview mit der Wienerin.  Doch wie immer beobachtete sie mit kritischem Auge: „Das, was wir vor 20 Jahren gefordert haben, davon ist nichts durchgesetzt worden. Das Einzige, was wir erreicht haben, ist ein Binnen-I. Und das brauch ich schon überhaupt nicht“, sagte sie 2018 zum Thema Frauenvolksbegehren, das sie bis zuletzt tatkräftig und wortgewaltig unterstützte.

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Anja Plaschg alias Soap&Skin

Auch Musikerin Anja Plaschg alias Soap&Skin setzte vor Kurzem ein klares Zeichen gegen die Salonfähigkeit von reaktionärem Gedankengut. Eigentlich wäre sie ja bei den Amadeus Austrian Music Awards 2019 in den Kategorien „Album des Jahres“ und „Alternative“ nominiert. Erstere Nominierung teilt sie unter anderem mit dem selbsternannten „Volks-Rock’n’Roller“ Andreas Gabalier, der es scheinbar nicht schafft, über längere Zeiträume hinweg ohne reaktionäre, sexistische Verbalrülpser auszukommen. Genau deshalb hat Plaschg im Februar über Instagram bekanntgegeben, dass sie zur Verleihung am 25. April nicht erscheinen werde. Namentlich hat sie den Lederhosen-Plärrer zwar nicht genannt, aber wer sollte mit dem Folgenden wohl sonst gemeint sein:

https://www.instagram.com/p/BuFBAxNBbYu/

Endlich einmal jemand, der diese „Ist ja nicht so schlimm“-Farce rund um Lederhosen-Rückschrittlichkeit und populistische Traditionsaneignung mindestens genauso satt hat wie wir und dagegen offen protestiert. Bravo!

Hanna Herbst, Journalistin und Autorin

Wenn es in Österreich um Frauen geht, die Unangenehmes offen ansprechen und den Finger in die Wunde legen, kommen wir nicht um die Journalistin und Autorin Hanna Herbst herum. Wollen wir auch gar nicht. Die ehemalige Chefredakteurin des Vice-Magazins engagiert sich online und offline für den Kampf gegen Rassismus und Sexismus und hat 2018 ihr Buch „Feministin sagt man nicht“ veröffentlicht. Darin spannt sie nicht nur einen historischen Bogen von frühen Frauenrechtsbewegungen bis zum österreichischen Frauenvolksbegehren im vergangenen Jahr, sondern schildert auch eigene prägende Erfahrungen. Zum Beispiel geht sie deutlich auf den Hass ein, der ihr und anderen Feministinnen und Feministen entgegenschlägt. „Wir müssen uns anhören, dass wir dick sind und hässlich, dass wir es nicht wert wären zu leben, dass man uns den Uterus herausschneiden sollte, uns richten, uns ficken, bis es nur noch unsere sterblichen Überreste sind, die gefickt werden, dass man uns in früheren Jahren erschossen hätte, und dass man es noch tun sollte“, schreibt sie in einem Kapitel.

Und dennoch lassen sich Frauen wie Hanna Herbst nicht beirren und zum Schweigen bringen. Zum Glück. Denn solche Gewaltandrohungen und rasender Hass gegen kritische Frauen sind ein weiterer Beweis dafür, dass engagierter Feminismus immer noch gebraucht wird.

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Perrine Schober, Gründerin von SHADES TOURS

Apropos Engagement: Perrine Schober setzt sich an anderer Stelle ebenfalls stark für soziale Belange ein. Zunächst studierte sie Tourismusmanagement und spezialisierte sich auf den Tourismus als Instrument der Armutsbekämpfung. Sie wirkte in mehreren internationalen Entwicklungshilfeorganisationen in und für Vietnam, die Osttürkei, Belize und Philippinen mit. 2015 gründete sie das Social Business SHADES TOURS, bei dem Obdachlose oder ehemals Obdachlose durch Wien führen. Dabei geht es nicht um Sightseeing und Mainstream-Tourismus, sondern die Guides führen ihre Gruppen an Orte, die zentral für das Leben auf Wiens Straßen sind, und sensibilisieren so für das Thema Obdachlosigkeit.

Seit 2018 konnten die SHADES TOURS bereits über 30.000 Teilnehmende erreichen. Perrine Schober erweitert das Angebot stetig. Seit einiger Zeit macht die Tour „Flucht & Integration“ mit geflüchteten Personen als Guides auf den Weg von der Flucht zur Integration in die Zielgesellschaft aufmerksam. Bei der Führung „Sucht & Drogen“ zeigt eine von Sucht betroffene Person die Stadt aus ihrer Sicht.

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Gabriele Weber vom Theater Delphin

In Sachen sozialer Einsatz inspiriert uns auch Gabriele Weber mit ihrem Theater Delphin ungemein. Vor 18 Jahren gründete sie den Verein Delphin, ursprünglich für ihren schwerbehinderten Sohn Nico, der weder sprechen noch seine Muskeln anspannen konnte. Doch Weber stellte fest, dass er sich durch Licht, Bewegung und Musik beruhigen und entspannen ließ. Eine andere Ebene der Kommunikation zwischen den beiden entstand. Daraus hat sich schließlich das Theater Delphin entwickelt, als Ort, an dem Menschen mit und ohne Behinderung zusammenkommen und gemeinsam professionelles Theater machen. Ohne Mitleid, mit großem Einsatz.

Nico verstarb im Alter von zwölf Jahren, doch das Theater Delphin hat Weber bis heute nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Es ist ein Andenken an Nico, aber vor allem auch eine bemerkenswerte inklusive Kunstinitiative, für die sich Weber nach wie vor mit vollem Elan einsetzt. Und das, obwohl das Theater so wenig abwirft, dass sie bis heute nebenher brotberuflich als Röntgenassistentin arbeitet. Stark!

Theater Delphin Wien
Gabriele Weber mit ihrem Sohn Nico im Stück „Nico der kleine Delphin“ (c) Theater Delphin

Yunona Khripunova und Sandra Auer, Betreiberinnen von Omas Teekanne

In Graz haben Yunona Khripunova und Sandra Auer ihre ganz eigene Form von Nachhaltigkeit zum Beruf gemacht. Ihr gemütliches Café „Omas Teekanne“ feiert in allen Ecken und Nischen den Vintage-Schick. Und das sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch ein Statement gegen Verschwendung und Wegwerfmanie. Immer wieder finden hier Workshops zum Upcycling und Selbermachen statt. Khripunova upcycelt auch selbst alte Teller von Flohmärkten zu witzigem Hipstergeschirr, das man vor Ort kaufen kann.

Gleichzeitig bedeutet der Vintage-Lifestyle aber nicht eine „Früher war alles besser“-Mentalität, im Gegenteil: „Ich finde überhaupt nicht, dass früher alles besser war, im Gegenteil. Die fürchterlichen Magazine aus dieser Zeit zeigen schon, wie schlimm es zum Beispiel um die Frauenrechte damals stand. Aber wir können das Beste aus der Zeit übernehmen, zum Beispiel was gutes Handwerk bedeutet. Das heißt aber nicht, dass die Gesellschaftsformen auch übernommen werden sollten. Denn das Gute am Zurückschauen ist: Wenn man die Geschichte kennt, will man nie dahin zurück. Wenn man weiß, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist und was ihn ausgelöst hat, weiß man, dass man die Rechten im 21. Jahrhundert nicht unterstützen sollte“, sagt Khripunova im Interview mit 1000things und bringt’s auf den Punkt.

Vintage Interview
Yunona Khripunova (c) Ines Futterknecht

Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger von Erdbeerwoche

Mit offenem oder latentem Sexismus geht oft auch die Degradierung des weiblichen Körpers als minderwertig, schmutzig oder gar sündig einher. Man könnte jetzt vielleicht meinen, das sei nur auf chauvinistische Hardliner bezogen. Ist es aber nicht. Das zeigt sich etwa daran, dass für die meisten die weibliche Periode immer noch ein Tabu-Thema ist, vor dem man sich gefälligst zu grausen hat. Und das wo die einzigen, die das Recht hätten, sich zu grausen, die wären, die einmal im Monat Blut im Schritt haben. Und nicht einmal das muss sein. Denn die Menstruation ist nun einmal – so anstrengend sie für viele von uns vielleicht manchmal ist – etwas Natürliches. Daher wollten Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger mit ihrem Start Up „Erdbeerwoche“ auch endlich die Samthandschuhe ausziehen und Klartext reden.

Sie plädieren dafür, dass Frauen sich nicht länger für ihre Periode schämen sollten oder sie als etwas Negatives wahrnehmen. Im Gegenteil: In der Menstruation steckt großes Potenzial, etwas zu verändern. Daher verbinden Harant und Steinbrugger Body Awareness mit Nachhaltigkeit und setzen sich dafür ein, nachhaltige Frauenhygiene-Produkte in den Mainstream zu bringen.

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Gloria Dimmel, Kunst mit Vulven

Nicht nur die weibliche Periode, auch die Vulva selbst ist in letzter Zeit immer öfter ins Zentrum gerückt. Es ist eine der zeitgenössischen Tendenzen des Feminismus, die weiblichen Genitalien zu enttabuiseren, denen im Gegensatz zu ihren aufragenden männlichen Pendants viel stärker das Stigma des Verpönten anhaftet. Deshalb macht die Wiener Künstlerin Gloria Dimmel Gipsabdrücke von Vulven. Mit der Erlaubnis ihrer anonymen Modelle stellt sie manche auch auf Vernissagen aus, wenn sie nicht zufällig geklaut werden.

So schafft Dimmel einerseits größere Aufmerksamkeit für die Schönheit und Natürlichkeit des unterrepräsentierten weiblichen Geschlechtsorgans. Andererseits ergattern aber auch die Frauen, die bei ihr einen Abdruck nehmen lassen, eine Kopie ihrer Vulva und können so ihre Weiblichkeit in ausgefallener, intimer Form zelebrieren.

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Wir wünschen allen wunderbaren Menschen da draußen einen tollen Frauentag!

Außerdem haben wir uns ein paar Gedanken darüber gemacht, warum man den Feminismus heute immer noch dringend braucht. Was ihr am Frauentag in Wien alles erleben könnt, findet ihr ebenfalls bei uns.

(c) Beitragsbild | Gloria Dimmel