Die skurrilsten Toiletten Wiens
Die Toilette begleitet uns durch alle Lebenslagen, kennt uns von unserer intimsten Seite und verschafft uns Erleichterung. Unsere stumme Alltagsbegleiterin wird viel zu selten gewürdigt, ja manchmal sogar naserümpfend verunglimpft. Ihr zu Ehren haben wir uns in Wien nach besonders auffälligen Exemplaren des stillen Örtchens umgesehen.
Sie kennt uns von unseren schlimmsten Seiten, befreit uns stets von Ballast und Geschäftszeiten hat sie praktisch rund um die Uhr: die Toilette. Ob sie wirklich das stillste Örtchen der Welt ist, kommt wahrscheinlich darauf an, ob man die eigene zu Hause oder ihre Cousine, die öffentliche Toilette, aufsucht. Aber selbst im lautesten Techno-Club können wir hier wenigstens für ein paar Minuten ungestört und ganz für uns sein und der Natur folgen, wenn sie ruft. Danke dafür, Madame Porzellan!
Zum Welt-Toilettentag schauen wir uns die skurrilsten öffentlichen Klos von Wien genauer an – und sind froh, dass Toiletten – ob skurril oder nicht – für uns eine Selbstverständlichkeit sind. Denn Hintergrund des Welttags ist, dass ein Teil der Weltbevölkerung noch immer keinen Zugang zu ausreichend hygienischen Sanitäranlagen hat. Wenn ihr also das nächste Mal ein stilles Minütchen am stillen Örtchen verbringt, erfreut euch eurer Privilegien.
Öffentliche Bedürfnisanstalt am Graben
Wer sich jetzt denkt: „Schräges Thema!“, hat definitiv recht. Aber Wien ist nun einmal ein bisserl schräg. Nicht umsonst galt ausgerechnet ein Klo lange Zeit als eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Operntoilette schloss leider 2019 für immer ihre Deckel. Wer jetzt extra dafür angereist ist, braucht aber nicht gleich das Toilettenhandtuch zu werfen. Ein paar Meter weiter wartet auch schon das nächste sanitäre Highlight: Die Jugendstil-Toilette am Graben 22 ist so schön, dass sie sogar unter Denkmalschutz steht. Marmorfliesen, Holzvertäfelung, hochwertige Glastüren und ein kleines Waschbecken in jeder der geräumigen Kabinen verleiten fast dazu, hier auch reguläre Geschäftstermine abzuhalten. Jedenfalls rechtfertigen sie die 50 Cent Klo-Gebühr definitiv, auch ohne Donauwalzer vom Band.
Tür 7
Stil beweist vor allem das Luxus-Häusl in der Tür-7-Bar. Passend zum Speakeasy-Konzept, dass man erst mal läuten muss, bevor man durch eine unscheinbare graue Tür ins versteckte Lokal kommt, versprüht auch die Toilette hier intime Atmosphäre. Mit einem Bademantel an der Tür und einer Badewanne, die zur Samtcouch umfunktioniert wurde, fühlt man sich in diesem geräumigen Kämmerchen fast wie im eigenen Hotelzimmer – die Toilette wird fast zur Nebensache. Da könnte man doch glatt vergessen, dass sich draußen vielleicht schön langsam eine Schlange bildet, während man sich im goldenen Spiegel zurechtmacht oder sich auf dem Sofa eine kurze Auszeit gönnt. Ups!
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Tür 7 | Buchfeldgasse 7, 1080 Wien
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MO–FR
Café Caspar
Im Café Caspar wartet die große Überraschung erst in der Klokabine. Dort könnt ihr euch anhand eurer Klopapier-Wahl ein Stückchen weit selbst verwirklichen oder etwa neu erfinden: Ausgefallene, Sparefrohs, Naturliebende, Romantische und Genussmenschen haben jeweils eine für sie passende Option zur Auswahl. Und im Ernstfall könnt ihr die Glasvitrine über dem Klo einschlagen, in der eine Notfallrolle deponiert ist.
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Café Caspar | Grillparzerstraße 6, 1010 Wien
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DI–SO
Café Diglas
Wer im Diglas auf der Wollzeile das erste Mal die Toilette betritt, muss stutzen. Einzelne Kabinen gibt es zwar, aber was bringen die, wenn die Türen aus Glas sind und man durchsehen kann? Und was macht so ein Klo in einem klassischen Wiener Kaffee? Keine Sorge, da hat sich wer was ausgedacht. Denn betritt man die Kabine, hat sich das durchsichtige Glas in Milchglas flugs verwandelt und auf der Kabinentür prangt ein Einfahrt-Verboten-Schild, damit auch alles klar ist.
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Café Diglas im Schottenstift | Schottengasse 2, 1010 Wien
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täglich
Kaffee Alt Wien
Nur zwei Gehminuten weiter, in der parallel zur Wollzeile gelegenen Bäckerstraße, hatte noch jemand diese Idee, und zwar das Kaffee Alt Wien. Wieder ein Ort, an dem man sich viel erwartet, aber ganz sicher keine ausgefallene Toilette. Soll noch einmal einer sagen, Wien sei spießig und altfadrisch! Zwei im wahrsten Sinne des Wortes offensichtliche Vorteile hat dieses Konzept: Erstens erinnern uns diese Türen bei einer ganz alltäglichen Handlung daran, dass die Naturwissenschaften ziemlich faszinierend sind. Und zweitens kann man so definitiv nicht vergessen zuzusperren und vermeidet peinliche Begegnungen mit anderen, die wegen ihres dringenden Bedürfnisses die Tür aufreißen.
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Kaffee Alt Wien | Bäckerstraße 9, 1010 Wien
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täglich
The Bank Brasserie Bar
Beim Betreten der Toilette des Restaurants im Park Hyatt muss man erst einmal stehen bleiben, um sich räumlich zu orientieren. Gegenüber steht am Ende eines langen Ganges eine Person, die offensichtlich zur selben Zeit wie man selbst die Idee hatte, das Klo aufzusuchen. Winkt man zur Begrüßung einmal nett, wird klar: Das ist man selbst. Vis à vis des steinernen Waschtisches befinden sich die stillen Örtchen, deren Türen vollverspiegelt sind und damit in jede Richtung ein sich unendlich wiederholendes Bild des Raumes erzeugen. Da wird einem schon mal schwindelig. Mit etwas Konzentration findet man dann den richtigen Eingang – und hoffentlich wieder den richtigen Ausgang.
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The Bank Brasserie Bar | Bognergasse 4, 1010 Wien
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täglich
ShanghaiTan
Das Shanghai Tan beeindruckt ja schon von der Straße aus mit seiner tollen Spiegel-Lampen-Installation. Doch wer zudem auf Spiegelkabinett steht, wird im Restaurant seine kleine Freude haben. Denn auch beim Betreten der Sanitäranlagen vom Shanghai Tan benötigt man meistens ein paar Sekunden, um sich zu sortieren. Wo fängt die eine Wand an und wo hört die nächste auf? Während man sich vorsichtig voran tastet, sieht man permanent das eigene verdutzte Gesicht – in gefühlt tausendfacher Ausführung. Wer denkt, dass der Spuk ein Ende hat, sobald man die eigentliche Toilette erreicht, der irrt. Denn auch hier befinden sich an allen Seiten die verhängnisvollen Spiegel. So wird der Gang zur Toilette zu einem unfreiwilligen sowie ungewöhnlichen Erlebnis.
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ShanghaiTan | Gumpendorferstraße 9, 1060 Wien
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MO-SA
THELL
Im THELL (vormals: Motto) ist es für gewöhnlich eh immer etwas schummriger. Die Drinks sind köstlich und wer viele davon hatte, der muss irgendwann den Gang zum Klo antreten. Und plötzlich taucht man ab – vielleicht auch eher ein. Das liegt wohl in den Augen der Betrachtenden und die Erfahrung auf den Toiletten vom THELL im 5. Bezirk muss jede*r selbst machen. Wir empfanden es einerseits als sehr beruhigend und zeitgleich auch irritierend. Denn es ist alles in rosarotes Licht getaucht und Wassergeplätscher kommt aus den Lautsprechern. Spiegelklare Sache: Was wäre so ein hippes Klo ohne große Projektionsfläche? Ihr werdet ins Zentrum gerückt und ob ihr wollt oder nicht, ihr schaut euch selber beim Pinkeln zu. Zur Not könnt ihr für den Moment immer noch kurz die Augen schließen und euch auf die Wassermusik – im doppelten Sinne– fokussieren.
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Thell | Schönbrunner Straße 30, 1050 Wien
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täglich
Reinwein
Wer in diesem süßen Lokal auf die Toilette muss, schreitet durch einen Vorhang inmitten einer beeindruckenden Bücherwand hindurch und stellt dann erleichtert fest: Endlich mal keine Spiegel und Soundkulissen auf dem stillen Örtchen! Dafür aber viele Augenpaare, die euch bei eurem Gang auf die Toilette im Reinwein zuschauen. In Bilderrahmen eingefasst wurden hier liebevoll zahlreiche Stars und Sternchen aus Theater, Film und allerlei anderen Sparten verewigt. Je nachdem, welche Toilette ihr erwischt, sind entweder Männer oder Frauen vertreten. Wer kann schon behaupten, einmal auf Augenhöhe mit Johnny Depp und Co. gewesen zu sein?
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Reinwein Wine & Craft Beer Bar | Reindorfgasse 10, 1150 Wien
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täglich