„Oaschloch": Wie ein Schimpfwort zum Symbol wurde

Viktoria Klimpfinger Vom 04.11.2020
"Schleich di du Oaschloch", soll ein Augenzeuge dem Attentäter in Wien zugerufen haben. Mittlerweile ist der Spruch längst zum Symbol geworden. Wie es dazu kam, wofür er steht und warum man ihn mittlerweile auch kritisch betrachtet, lest ihr hier.
Foto Hotspots Wien

Dieser Artikel wurde am 6. November aktualisiert. 

Montagnacht erschoss ein Attentäter in der Wiener Innenstadt vier Menschen, zahlreiche weitere sind schwer verletzt. Wien trauert. Aber in der Betroffenheit überwiegt der Trotz – Trotz gegen den Terror, gegen die Furcht, die solche grauenvollen Akte verbreiten wollen. Zum Symbol dafür wurde der Spruch „Schleich di du Oaschloch“, den ein Augenzeuge dem Attentäter aus einem Fenster nachgerufen haben soll. Bereits am nächsten Tag trendete er als Hashtag in verschiedenen Schreibweisen in den sozialen Medien und wurde von zahlreichen nationalen und internationalen Medien aufgegriffen. Eindeutig zu hören ist auf dem Handyvideo zwar nur, wie jemand „Oaschloch“ schreit. Aber ob das „Schleich di“ tatsächlich davorstand oder im Nachhinein dazugestellt wurde, ist längst nebensächlich. Im Vordergrund steht die Message, die der Spruch in den sozialen Medien transportieren will: gegen Terror, gegen Hetze.

Gemeinsam grantig

Den Wienerinnen und Wienern sagt man generell gerne eine gewisse Tendenz zum Granteln nach, worauf auch die meisten Postings unter besagtem Hashtag anspielen. Dieses Klischee mag man nun liebenswürdig-schrullig oder unsympathisch finden – aber dass ausgerechnet ein „Oaschloch“ aus vollem Herzen zum Leitspruch gegen Terror und Furcht wird, hätte sich vor ein paar Tagen wohl noch niemand gedacht. In einer Situation der Hilflosigkeit und Verzweiflung ausgerufen, bringt es den sozialen Medien nach zu urteilen am authentischsten auf den Punkt, was viele Wienerinnen und Wiener zurzeit fühlen.

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Dem Terror keinen Raum geben

Und nicht nur das: Das „Oaschloch“ wurde auch zum Platzhalter für den Namen des Attentäters, der zwar inzwischen bekannt ist, aber von vielen Twitter-Userinnen und -Usern und Medien bewusst nicht genannt wird. „Warnen doch Experten, dass die öffentliche Inszenierung einen wichtigen Teil zur Mystifizierung der Täter beiträgt – und damit erst recht wieder Nachahmer motiviert“, schreibt etwa die Tageszeitung Der Standard, die ebenfalls auf die Nennung des Namens verzichtet. Eine Browsererweiterung für Chrome des Twitter-Users @onatcer ersetzt den Namen auf aufgerufenen Websites sogar durch das Schimpfwort.

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Kritische Betrachtung (Ergänzung vom 6. November)

Der Spruch war für viele während der ersten Tage nach dem Attentat ein Ausdruck ihrer Wut gegen das Geschehene, des festen Willens, sich nicht unterkriegen zu lassen, und der Positionierung gegen Hass und Terror. Sie stellt, wie der in diesem Zusammenhang viel zitierte Wiener Grant oft generell, eine Art Coping Mechanismus dar. Mit einigem Abstand kommt man aber nicht darum herum, die Worte selbst kritisch zu betrachten, wie mittlerweile einige in den sozialen Medien anmerken. Die Verbreitung des Spruchs auf T-Shirts könne Angehörige und Opfer retraumatisieren. Die Worte, die für viele ursprünglich eine Botschaft der Solidarität darstellten, können schnell umgedeutet werden zu einer Botschaft der Aggression. Besonders augenöffnend ist der von der Tageszeitung Der Standard veröffentlichte Nachruf der Schwester der 44-jährigen Frau, die am Montag erschossen wurde: „Wenn ihr meine Schwestern und ihr Andenken ehren wollt, dann bitte ich euch alle, auch nicht mit Hass und Ausgrenzung zu reagieren, das würde alles, wofür sie gestanden ist, gelebt hat und eingetreten ist, mit Füßen treten.“

Wenn euch in dieser schweren Zeit der Sinn nach ein wenig Ablenkung steht, haben wir einen Artikel für euch, in dem wir uns allgemein mit dem Wiener Dialekt auseinandergesetzt haben. Eine Ode an unsere Lieblingsstadt lest ihr ebenfalls bei uns.

(c) Beitragsbild | Luisa Lutter | 1000things


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