DoReMi: Wo Musikunterricht zusammen bringt

Viktoria Klimpfinger Vom 07.12.2018
"Music is the universal language. It brings people closer together", sagte Ella Fitzgerald einmal. Dass das immer noch sowas von wahr ist, beweist das soziale Musikinstitut DoReMi. Hier lernen Menschen mit Fluchthintergrund und ohne, Menschen mit viel und mit wenig Geld, Menschen mit musikalischen Vorkenntnissen und absolute Anfänger gemeinsam ein Instrument. Wir waren bei einer Oud-Stunde dabei.
DoReMi

Konzentriert sitzen Abdallh und Inés nebeneinander in Orwa Salehs Wohnung und zupfen an etwas, das für europäische Augen wohl aussieht, als hätte man eine Laute mit einem abstrakten Kunstwerk gepaart. Sie lernen Oud – eine Art arabische Laute. Es ist erst ihre fünfte Stunde bei Orwa und heute spielen sie ihre erste Melodie. Immer wieder schlägt Orwa langsam und geduldig die ersten Takte an, immer wieder bemühen sich Abdallh und Inés, den Ouds die richtigen Töne zu entlocken. Doch einfach ist das nicht: „Oud spielen hat viel mit Hören zu tun“, erklärt Orwa später. Denn eine Oud hat im Unterschied zur Gitarre keine Bünde, an denen man sich mit den Fingern orientieren könnte.

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Orwas Oud. (c) Viktoria Klimpfinger / 1000things Redaktion

Musikinstitut mit sozialem Hintergrund

Orwa gehört zu den Lehrern des sozialen Musikinstituts DoReMi, das sich aus dem Konzept der Open Pianos for Refugees heraus entwickelt hat. Diese Klaviere können frei bespielt werden und man sieht sie immer wieder auf den Straßen im ganzen Land stehen.Bei DoReMi können Interessierte aber längst nicht nur Klavier lernen, sondern allerhand Instrumente, wie eben auch Oud. Der Sinn dahinter ist, dass Geflüchtete und sozial Benachteiligte zusammen mit Einkommensstärkeren ein Instrument erlernen. Der Paarunterricht hilft nicht nur beim gemeinsamen Musizieren, sondern ermöglicht einen Austausch zwischen Sprachen und Kulturen. Musik verbindet eben. Das merkt man auch bei Abdallh und Inés.

Beide kennen das arabische Arbeiterlied, dessen Melodie sie gerade mühsam einstudieren. Inés nur entfernt von ihren Verwandten in Tunesien, Abdallh aus der Volksschule in Syrien. Während Inés sich langsam an die Töne herantastet, setzt Abdallh sich stärker unter Druck, weil er das Originallied im Kopf hat und am liebsten gleich in der richtigen Geschwindigkeit loslegen würde.

DoReMi Oud
Inés und Abdallh versuchen, ihre erste Melodie zu spielen. (c) Viktoria Klimpfinger / 1000things Redaktion

Oud als Kindheitserinnerung

Diese vertrauten Erinnerungen, die beide mit der Oud verbinden, sind schließlich auch der Grund, warum sie sich zum Unterricht angemeldet haben. „Viele bei uns in Syrien spielen Oud. Aber ich war sechs Jahre in der Armee. Da hatte ich keine Zeit, es zu lernen“, erzählt Abdallh. „Dann begann der Krieg, da war auch keine Zeit.“ Mit 18 kam er zur Syrischen Armee, in der er sechs Jahre dienen musste, bevor er nach Europa flüchtete. Seit drei Jahren ist der 29-Jährige in Österreich, seit eineinhalb Jahren in Wien. Das Oud-Spielen ist für ihn nicht nur eine Möglichkeit, sich etwas Vertrautes aus seinem Leben in Syrien zu bewahren, sondern hilft ihm gleichzeitig auch beim Fußfassen und Ankommen in Wien.

Inés ist hingegen in Wien geboren und aufgewachsen. Ein Teil ihrer Familie lebt aber in Tunesien, wo sie auch den Klang der Oud oft mitbekommen hat. „Ich wollte schon ur lange Oud spielen“, sagt die 29-jährige Filmemacherin. Es sei ihr Lieblingsinstrument. Aber Oud-Unterricht war in Wien gar nicht so leicht zu finden, und wenn, dann war er für sie nicht leistbar. Das ist bei DoReMi kein Problem. Hier gibt man nämlich so viel, wie man eben kann. Das stellt sicher, dass sich auch wirklich alle einen Musikunterricht leisten können. Die, die mehr haben, geben mehr, die die weniger haben, weniger, und die die nichts haben, geben eben nichts. Was zwar vielleicht zuerst utopisch klingt, scheint aber durchaus zu funktionieren. Denn bekommt man keinen fixen Preis vorgeschrieben, geben die Menschen oft lieber freiwillig etwas mehr, besonders für einen guten Zweck. Am Anfang des Semesters verrät die Musikschule den Schülern, wieviel die 14 Einheiten zu je 50 Minuten pro Semester regulär kosten würden. Auch Inés kann sich den vollen Preis von etwa 200 Euro im Semester nicht ganz leisten, wäre aber jederzeit bereit, mehr zu zahlen, wenn sie es könnte.

DoReMi Oud
Orwa erklärt den beiden die Noten. (c) Viktoria Klimpfinger / 1000things Redaktion

Arabisch und Deutsch im Austausch

Neben dem gemeinsamen Musizieren lernen Abdallh und Inés auch sprachlich voneinander. Inés hofft, ihr bruchstückhaftes Arabisch mit Abdallh etwas aufbessern zu können. „Ich wollte eh letztens schon mal fragen, ob er mir ein bisschen Arabisch beibringen könnte, wenn wir üben.“ Abdallh lächelt schüchtern und nickt. Lehrer Orwa spricht mit seinen beiden Schülern hauptsächlich Deutsch. Nur wenn er merkt, dass Abdallh etwas nicht verstanden hat oder sich zu sehr stresst, switcht er kurz ins Arabische. Orwa kommt nämlich selbst aus Syrien, das er 2012 wegen des Krieges verlassen musste. Er hat in Damaskus Oud studiert ist professioneller Musiker. Geduldig schnipst er zum Takt, zählt die schwierigen Pausen vor und nimmt hin und wieder selbst die Oud in die Hand, um den beiden zu zeigen, wie’s geht.

Nachdem sie die ersten Takte ihrer ersten Melodie einige Male zusammen gemeistert haben, packen Abdallh und Inés ihre Ouds in ihre schwarzen Transportrucksäcke. Damit die Schülerinnen und Schüler auch zuhause weiterüben können, stellt DoReMi die jeweiligen Instrumente kostenlos zur Verfügung, solange man zum Musikunterricht angemeldet ist. Gerade bei der Oud erleichtert das das Lernen erheblich. „Eine Oud ist gar nicht so einfach zu bekommen“, sagt Oud-Profi Orwan. „Und teuer ist sie auch.“ Außerdem ist sie erstaunlich leicht, wie Inés begeistert demonstriert. Obwohl ihre Oud im Moment bloß ausgeliehen ist, hat sie sich ein kleines, aber wesentliches Zubehör selbst gekauft: „Ich habe jetzt eine eigene Rischa“, erzählt sie stolz und zeigt ein schön verziertes längliches Kunststoffstück, das man zum Zupfen der Oud verwendet.

[arve url=“https://youtu.be/ttA3Hwr8OGs“ title=“Orwa Saleh“ description=“Beirut Jam Sessions“ upload_date=“6.12.2018″ /]

So bunt wie Wien

Nach einem gemeinsamen Kaffee in Orwas gemütlicher Küche machen sich die beiden gelöst quatschend auf den Weg zur Straßenbahn. Orwa hat schon den nächsten Schüler. Einen österreichischen Bassisten, der im Nebenraum bereits gekonnt auf der Oud dahinsoliert. Doch nicht nur Orwas Schüler könnten unterschiedlicher nicht sein. Das Konzept von DoReMi lebt generell von Vielfalt und Austausch. „Es ist so schön, wenn man beim Abschlusskonzert gemeinsam auf der Bühne steht und da sind so viele verschiedene Leute: Kinder, ältere Menschen, die verschiedensten Nationalitäten“, sagt Orwa. „Das ist Wien, wo die Leute so verschieden sind und doch miteinander verbunden.“ Stimmt. So grantig Wien vielleicht auch manchmal ist, so bunt ist es auch. Das war es schon immer und wird es hoffentlich auch bleiben.

Übrigens gibt es auch seit wenigen Tagen ein eigenes DoReMi Weihnachtslied, das einmal mehr von der wunderbaren Vielfalt Wiens zeugt und auch in unserer Weihnachtsplaylist nicht fehlen darf. Immerhin können wir die Botschaft des Songs nur doppelt unterschreiben: Christmas for everyone!

[arve url=“https://youtu.be/m-4_4faNXiA“ title=“DoReMi All Stars – Christmas is for everyone“ description=“Weihnachtslied der DoReMi Musikschule“ upload_date=“6.12.2018″ /]

Ihr wollt noch weitere unterstützeswerte Projekte in Wien kennenlernen? Dann schaut doch mal in diesem Beitrag vorbei. Außerdem haben wir einige Inspirationen für alle unter euch, die sich heuer zu Weihnachten der Prämisse Schenken mit Sinn verschrieben haben.

To Dos

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