Lost Places: Verlassene Orte in Wien und Umgebung
Der Putz bröckelt von den Wänden, zurückgelassene Möbel verstauben und Spinnweben zieren die Ecken: Verlassene Orte haben oft etwas Mystisches an sich. Wir stellen euch einige Lost Places in Wien vor.
Ein Schloss, das leer steht, ein ehemaliges Kinderheim oder ein brachliegender Bahnhof: Wie in wohl jeder Stadt gibt es auch in Wien sogenannte Lost Places. Darunter versteht man verlassene Orte, die teilweise nicht mehr genutzt werden und oft auch nicht zugänglich sind. Manche Bauten stehen jahrelang leer, andere werden schnell abgerissen oder zwischengenutzt und umgebaut. Wir haben recherchiert, welche verlassenen Orte es in der Stadt gibt und stellen euch einige der Lost Places in Wien vor – einige davon könnt ihr auch besuchen.
Luftschutzbunker im Arne-Carlsson-Park
Nicht alle Lost Places sind auf den ersten Blick erkennbar. Einer davon ist der Luftschutzbunker im Arne-Carlsson-Park im 9. Bezirk. Zahlreiche Graffitis schmücken die Wände des Bunkers, der 1940 errichtet wurde und im Zweiten Weltkrieg hunderten Menschen Schutz vor den Bombenangriffen bot. Im Rahmen von Führungen könnt ihr den Bunker und das sich dort befindende Befreiungsmuseum besuchen, welches vom Bezirksmuseum Alsergrund und von Schüler*innen des Erich-Fried-Gymnasiums gestaltet wurde. Der Bunker wurde kaum verändert und so könnt ihr bei einem Besuch auch heute unter anderem noch die Toiletten, Kurbeln zur Luftzufuhr und Aufschriften an den Wänden betrachten.
Im Rahmen einer Reportage waren wir übrigens mit dem Forscherteam Wiener Unterwelten auf Erkundungstour durch die Bunker und Keller der Stadt. Das Forscherteam dokumentiert aber nicht nur die Unterwelt, sondern auch Lost Places in Wien und Umgebung. Auf ihrer Website findet ihr dazu zahlreiche Infos und beeindruckende Fotos von verlassenen Orten.
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Luftschutzbunker im Arne-Carlsson-Park | Arne-Carlsson-Park, 1090 Wien
Semmelweisklinik
Die Semmelweisklinik ist vielen wohl noch als Geburtsklinik ein Begriff. Das Semmelweis-Areal in Währing beherbergte aber nicht nur die bedeutendste Geburtsklinik in Wien, die Pavillons wurden bis in die 70er-Jahre unter anderem auch als Kinderheim genutzt. Nachdem die Semmelweisklinik 2019 ins Krankenhaus Nord übersiedelte, standen einige der Pavillons leer. Nun hat sich unter anderem der Kunst- und Kulturverein Semmelweisklinik zur Zwischennutzung in das sogenannte Wirtschaftsgebäude eingemietet. Wo früher Wäscherei und Großküche der Semmelweis-Frauen- und Geburtsklinik waren, finden nun verschiedene Veranstaltungen statt. In den ehemaligen Räumen des Kinderheims schlagen Künstler*innen vorübergehend ihre Ateliers auf. Bei Art Walks, Performances oder Konzerten könnt ihr euch selbst ein Bild von dem verlassenen Ort und was heute daraus geworden ist, machen. Wir waren übrigens schon im Juli vor Ort und nehmen euch mit auf Entdeckungstour.
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Semmelweisklinik | Hockegasse 37, 1180 Wien
Ruinenvilla im Dehnepark
Die Wände sind mit Graffitis übersät, Efeu überwuchert eine Mauer und das Dach ist zum Teil eingestürzt und wurde abgedeckt: Die Ruinenvilla im Dehnepark im 14. Bezirk sieht aus wie ein Lost Place aus dem Bilderbuch. Der Dehnepark wurde zwischen 1791 und 1804 im Stil eines englischen Landschaftsgartens für die Fürstin Maria Antoine Paar errichtet. Ursprünglich enthielt er mehrere Bauten wie Pavillons und Villen, welche im Laufe der Zeit aber wieder aus dem Park verschwunden sind. Von den ursprünglichen Gestaltungselementen ist nur noch die Ruinenvilla übrig geblieben. Diese wurde bereits im Stil einer Ruine erbaut. Später gehörte sie dem Wiener Regisseur und Schauspieler Willi Forst. Heute verfällt die Villa immer weiter und ist von einem Bauzaun umgeben, da Einsturzgefahr besteht. Aber auch von außerhalb des Zauns könnt ihr Blicke auf die Ruinenvilla erhaschen.
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Dehnepark | Dehnepark, 1140 Wien
Ehemalige Manner-Villa
Von einer Ruine kann bei der Manner-Villa nicht die Rede sein – zumindest nicht von außen. Betritt man die Villa im 17. Bezirk, wird aber schnell klar, dass das Bauwerk schon länger nicht mehr bewohnt ist: Möbel wurden verkauft, der Ballsaal wurde ausgeräumt und auch der Pool im Keller ist leer. Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 wohnte hier Carl Manner, Enkel von Firmengründer Josef Manner. In Zukunft soll die Villa, die von 1914 bis 1920 in einer Mischung aus Heimatstil und Sezessionismus gebaut wurde, saniert werden und Luxuswohnungen beherbergen. Bis es soweit ist, wird die Villa immer wieder für Veranstaltungen und Pop-ups genutzt. So habt ihr vielleicht auch einmal die Möglichkeit, die Villa in Hernals von innen zu sehen.
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Manner-Villa | Klampfelberggasse 2-4, 1170 Wien
Nordwestbahnhof
Der stillgelegte Nordwestbahnhof im 20. Bezirk blickt auf eine turbulente Geschichte zurück. Er wurde von 1870 bis 1873 errichtet. Als Personenbahnhof war er nur bis 1924 im Einsatz, denn dann wurde der Personenzugverkehr wegen des starken Rückgangs der Passagierzahlen über den Nordbahnhof abgewickelt. Die Nordwestbahnhalle verlor somit ihre Funktion und wurde daraufhin für kulturelle, sportliche, aber auch politische Zwecke genutzt. 1927 entstand hier der Schneepalast: Eine schiefe Ebene wurde mit Kunstschnee bedeckt und zum Skifahren genutzt. Der Zweite Weltkrieg markiert auch für die Bahnhofshalle des Nordwestbahnhofs eine dunkle Periode. Politische Großveranstaltungen der Nationalsozialisten fanden hier statt, zwischen 1942 und 1945 wurde die Halle als Zwangsarbeitslager genutzt. Im Krieg wurde der Nordwestbahnhof schwer beschädigt, das Empfangsgebäude wurde 1952 abgetragen. Nach dem Krieg wurde der Nordwestbahnhof weiterhin für den Frachtverkehr genutzt.
2006 wurde das Ende des Bahnhofs besiegelt, als die ÖBB beschlossen, den Frachtverkehr schrittweise in den Süden Wiens zu verlegen. 2021 wurde der Bahnhof schließlich stillgelegt. Und nun? Die länger ungenutzten Teile des Bahnhofs holt sich die Natur Schritt für Schritt zurück. Im August 2022 fand das Call Libre Streetart-Festival hier statt und hat unter anderem die Wand einer Lagerhalle wieder bunt gemacht. Bis 2033 soll auf dem Nordbahnhofgelände ein neues Stadtentwicklungsgebiet entstehen, ähnlich wie im Nordbahnviertel soll auch hier aus einem verlassenen Ort ein neuer Stadtteil aus dem Boden wachsen.
Jüdischer Friedhof Währing
Gräber, die von Gras überwuchert werden, und Grabsteine, die sich im unteren Trakt des Friedhofs stapeln: Der Jüdische Friedhof Währing wurde 1784 eröffnet, rund 100 Jahre später wieder geschlossen und in der NS-Zeit teilweise zerstört. Auch heute ist er aufgrund seines desolaten Zustands nicht öffentlich zugänglich. Doch es gibt eine Initiative, die den Jüdischen Friedhof in Währing retten und der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen will. Die Grabsteine werden saniert, der Wildwuchs der Pflanzen in Zaum gehalten. Freiwillige können mithelfen – auch wir waren schon einmal beim Gräberputzen dabei. Außerdem bietet der Verein Führungen an, im Rahmen derer ihr den Friedhof im Biedermeierstil besichtigen könnt.
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Jüdischer Friedhof Währing | Schrottenbachgasse 3, 1180 Wien
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nur im Rahmen von Führungen
Sanatorium Wienerwald
Wir verlassen Wien und kommen zu dem Lost Place, der wohl das größte Horrorfilm-Potenzial hat. In Feichtenbach in Niederösterreich befindet sich einst das Sanatorium Wienerwald. Es wurde 1903/1904 von zwei Lungenspezialisten eröffnet und bald zu einer international bekannten Heilanstalt, zu den Patienten zählten der Autor Franz Kafka und der ehemalige Bundeskanzler Ignaz Seipel. Nach wirtschaftlich erfolgreichen Jahren eröffnete der Zweite Weltkrieg ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Sanatoriums. Die Heilanstalt wurde von der SS beschlagnahmt, “arisiert” und dem Verein Lebensborn überschrieben.
Nach dem Krieg fungierte das Sanatorium erst als Erholungsheim für unterernährte Kinder aus Wien. Später wurde das Gebäude modernisiert und diente als Erholungszentrum für Patient*innen der Wiener Gebietskrankenkasse. 2002 kauften schließlich private Investoren das Sanatorium, seitdem wird das Gebäude nicht mehr genutzt – und verfällt zunehmend. Obwohl es verboten ist, das ehemalige Sanatorium zu betreten, ist auf Fotos und Videos zu sehen, wie es im Inneren aussieht: Graffitis an den Wänden, kaputte Möbel, zersprungene Glasscheiben finden sich im Haus.
- Lieblinge 2023
Südbahnhotel Simmering
Dass vermeintliche Lost Places nicht zum kompletten Verfall bestimmt sein müssen, beweist das Südbahnhotel Semmering. Das erste Hotel am Semmering, das 1882 gebaut wurde, beherbergte unter anderem Sigmund Freud, Oskar Kokoschka oder Adolf Loos. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Hotel nicht mehr an seine Erfolge anknüpfen – 1976 wurde der Hotelbetrieb eingestellt. Lange befand sich das Südbahnhotel im Dornröschenschlaf, ab 2000 fanden immer wieder Veranstaltungen statt. 2022 übernahm Christian Zeller das Südbahnhotel. Seit dem Sommer kann man das ganze Jahr über Konzerte, Workshops und weitere kulturelle Angebote besuchen.
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Südbahnhotel Semmering | Südbahnstraße 27, 2680 Semmering-Kurort
Neugierig geworden? Dann kommt mit auf eine Erkundungstour durch die Wiener Unterwelt! Wir waren zudem auch in Ljubljana unterwegs und haben Lost Places in Sloweniens Hauptstadt unter die Lupe genommen.