Schwesta Ebra: Feminismus und Deutschrap
„Braaa“, würde Capi sagen, auch wenn man ihn gar nichts gefragt hätte. Und wir antworten: „E-Braaa!“ Denn wir haben die Wiener Rapperin Schwesta Ebra auf einen Kaffee getroffen und ihr ein paar Fragen über dies, das, Ananas gestellt.
Deutschrap, das klingt für viele erst mal nach geflexten Muckis, dicken Autos und frauenverachtenden Texten. Aber was wäre, wenn ausgerechnet diese Typen flammende Feministen wären? Diese Frage beantwortet die Wiener Musikerin Ebru Sokolova (23) alias Schwesta Ebra. In Tiktok- und Instagram-Videos rappt sie im Stil bestimmter Künstler und legt ihnen dabei ganz neue Töne in den Mund. In ihrem Debütsong Männer haben klingt es etwa, als würde ein weiblicher Yung Hurn rappen: “Männer haben Egoprobleme, sie ruinieren Frauen die Seele”. Und in ihrer zweiten Single, die ebenfalls im Cloudrap verhaftet bleibt, Deine Dickpics geht es genau darum: um Dickpics, sexuelle Belästigung und Geschlechterstereotype, die sich längst selbst abgeschafft haben sollten. Wir haben Ebru auf einen Verlängerten am Naschmarkt getroffen und mit ihr über Sexismus im Deutschrap, politischen Online-Aktivismus und ihre Lieblingsorte in Wien gesprochen.
1000things: Ebru, in vielen deiner Musikvideos legst du bekannten Rappern, die sonst gerne mal mit sexistischen Texten um sich werfen, feministische Texte in den Mund. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ebru: Mit zwölf habe ich mir einen Youtube-Account gemacht und Coversongs hochgeladen, weil ich damals unbedingt Sängerin werden wollte. Eigentlich komme ich gesanglich eher vom Pop, Rock, R’n’B, Soul. Das erste Video, in dem ich einen Rapsong umgetextet habe, kam vor zwei Jahren, da hatte ich meine Capital-Bra-Phase.
Zu Beginn der Corona-Krise habe ich bestehende Lieder zu Lockdown-Songs umgetextet, zum Beispiel einen Song von Falco, den Soundtrack von 50 Shades of Grey oder einen Rap von Loredana. Irgendwann habe ich mich dann auf feministische Rap-Texte konzentriert. Da begann in den sozialen Medien gerade die Debatte über Sexismus im Deutschrap.
Unter #deutschrapmeetoo teilen viele Frauen ihre Erfahrungen mit sexistischen Übergriffen und sexualisierter Gewalt. Und auch in den Texten wird sexuelle Gewalt zum Teil verherrlicht. Ein Zusammenhang, der sich nicht länger von der Hand weisen lässt, oder?
Die Debatte gab es vor ein paar Jahren auch schon. Damals war ich noch eher der Meinung, dass man Text und Künstler voneinander trennen können muss. Mittlerweile denke ich anders. Vor allem, wenn man liest, dass ein Rapper dann zum Beispiel auch seine Exfreundin geschlagen hat. Spätestens dann kann man das nicht mehr voneinander trennen. Wenn die jungen Burschen bei frauenverachtenden Texten mitrappen, prägt das ihr Frauenbild.
Und was ist mit weiblichen Rapperinnen?
Künstlerinnen wie Loredana oder Shirin David kriegen enormen Hate ab, nur weil sie rappen. Es passt für viele anscheinend nicht zu einem bestimmten Rollenbild, wenn Frauen rappen. Und auch wenn sie Features mit Männern haben, übernehmen sie oft den singenden Gegenpart, obwohl sie eigentlich Rapperinnen sind. Wenn dein Verhalten als Frau nicht in das Bild passt, das die Burschen und Männer gelernt haben, wirst du beschimpft. Und das ist einfach nur falsch. Warum gilt ausgerechnet rappen als Männerjob?
Ist dein Künstlerinnenname Schwesta Ebra eigentlich eine Anspielung auf die deutsche Rapperin Schwesta Ewa?
Nein. Ich kenne zwar ein paar Lieder von ihr, bin aber kein aktiver Fan. Ebra ist eine Anspielung auf Capital Bra, weil ich ja Ebru heiße und bei meiner Capital Bra Parodie am Anfang “E-Braaa” gemacht habe, ähnlich wie er das immer macht. Außerdem wollte ich einen anderen Instagram-Namen. Ich hatte ursprünglich meinen vollen Namen und viele Leute haben mich, wenn ich irgendwas kommentiert habe, sofort auf meine Herkunft reduziert. Egal was für Argumente oder Fakten ich in einer Online-Diskussion aufgezählt habe, sie kamen mir zum Beispiel mit Erdogan. Ich darf nicht mal wählen in der Türkei, ich habe mit Erdogan nichts zu tun. Was kann ich dafür, was in der Türkei passiert? Ich bin in Österreich geboren. Ich darf zwar hier auch nicht wählen, aber ich habe viel mehr Bezug zu Österreich als zur Türkei.
In einem Standard-Artikel über dich steht, dass deine Familie in Bulgarien zur türkischen Minderheit gehörte und deine Mutter in ihren Zwanzigern nach Österreich kam. Du setzt dich unter anderem auch für einen einfacheren Zugang zur Staatsbürgerschaft ein.
Viele Leute, auch gute Bekannte von mir, dachten, meine Mutter trägt ein Kopftuch. Nur weil ich keine autochthone Österreicherin bin. Nur weil sie nicht hier geboren ist. Meine Mutter trägt kein Kopftuch, spricht kein gebrochenes Deutsch, und selbst wenn es so wäre: Na und? Das ist ein Teufelskreis: Wenn man die Menschen ausgrenzt, trifft das einige so hart, dass sie lieber unter sich bleiben, und dann heißt es, es bilden sich “Parallelgesellschaften”.
Wirst du in Zukunft auch diese Themen aufgreifen, also generell politischen Rap machen?
Nicht ausschließlich; ich langweile mich sehr schnell. Vor Kurzem habe ich ein Konzert in München gegeben. Die wollten, dass ich 60 Minuten lang spiele, ich hatte aber nur zwei veröffentlichte Songs. Also habe ich schnell noch ein paar geschrieben und davon ist auch nicht alles politisch.
Wenn man politische Inhalte postet, sind die Folge oft Shitstorms. Ist der Ton seit Beginn der Corona-Krise rauer geworden in den sozialen Medien?
Ich glaube, durch Corona und dass wir uns alle noch stärker in die sozialen Medien zurückgezogen haben, haben die Leute total vergessen, dass das Menschen sind, die hinter einem Profil stehen. Selbst in der feministischen Szene gibt es so oft Streitereien und so genannnte “Call-outs”. Im Zuge der Afghanistan-Berichterstattung gab es zum Beispiel einen Shitstorm gegen eine Influencerin, die über das Thema berichtet und gleichzeitig Werbung platziert hat. Natürlich ist Konsumkritik gut und wichtig, aber mich hat das so geärgert, weil dadurch alle Storys voller Kritik zu dieser Person waren, aber die Spendenaktionen für Afghanistan und das Thema, um das es eigentlich gehen sollte, total untergegangen sind.
Also ja, der Ton ist sehr hart geworden.
Glaubst du, ist es möglich, mit Humor mehr Leute zu erreichen?
Oft ist der Diskurs unglaublich akademisch. Dabei kommt es aber immer auf die Leute an, die man erreichen will. Der typische FPÖ-Wähler hört wahrscheinlich schon nicht mehr zu, wenn man “Feminismus” sagt. Deshalb vermische ich das Thema gerne mit Humor. Ich glaube, da erreicht man die Leute leichter. Mit unseren Messages müssen wir zielgruppenorientierter arbeiten.
Apropos Zielgruppe: Hast du vielleicht noch ein paar Lieblingsspots in Wien für uns?
Der Heldenplatz: Zum einen war da die Ausstellung von Porträts Holocaust-Überlebender, die von Vandalen aufgeschlitzt wurden – da waren meine Freundin und ich bei der Mahnwache, und dann waren dort auch die Ibiza-Demos, wir haben also extrem viel Zeit dort verbracht. Die Flaktürme finde ich auch spannend und auch, dass sie noch erhalten sind. Ich studiere Geschichte auf Lehramt, ich glaube, das merkt man. (lacht)
Ein Lokal, in dem ich bis jetzt zu selten war, ist das Ganz Wien in der Zollergasse: Das Wohnzimmer-Feeling dort ist wirklich toll. Im Augustin im 15. ist es auch sehr gemütlich. Außerdem finde ich meine Gegend sehr schön in Hütteldorf. Das Stadion ist zwar laut, aber sonst ist die Gegend total ruhig. Man fühlt sich sicher. Vielleicht liegt das daran, dass dort viele ältere Leute wohnen. Der Stadtwanderweg 4 führt von Hütteldorf bis nach Ottakring und geht zum Beispiel durch den Dehnepark. Da sind wir sehr oft mit meinem Hund. Und ein Erholungsgebiet ist auch in der Nähe, da glaubst du gar nicht, dass du noch in Wien bist.
Noch mehr Interviews gefällig? Wir haben mit Sängerin CHRISTL und Vary von Catcalls of Vienna über Catcalling gesprochen. Wenn du dich bei uns registrierst, kannst du unseren Themenlisten folgen, um kein Update mehr zu verpassen.